Dem printzip wurden von einem Aussteiger aus der Identitären Bewegung Fulda (IB) denkwürdige Papiere vorgelegt, welche die Redaktion dazu veranlassten, sich intensiver mit dieser Gruppierung zu befassen. Diese internen Papiere von 2015 werden im Folgenden im Wortlaut zitiert. Die Quelle kann – um die betreffende Person zu schützen – nicht benannt werden, ist der Redaktion aber bekannt.
Es gibt ein vierseitiges Papier „Aufgabenverteilung für Funktions-
träger“. In diesem ist als „Leiter der Regionalgruppe Hessen“ von einem Marcel die Rede. Der sei auch für die Betreuung der Facebookseite zuständig. Unter seiner Aufgabenbeschreibung ist
aufgelistet: „Aktionen/Veranstaltungen für Anwerben neuer Mitglieder, trägt maßgeblich zur Verbesserung des Image der IB bei, macht Fotos/Videos von Aktionen/Veranstaltungen der IB oder delegiert
diese Aufgabe. Aktuell seien „Vanessa, Maxi und Marvin“ als „Ortsgruppenleiter“ unter anderem für „Koordination und Überwachung der Ortsgruppe“ zuständig.
Neben zahlreichen anderen Aufgaben und Personen, die diese ausüben, wird auch ein „Verantwortlicher für Absicherungsthemen“ als aktuell unbesetzt gelistet. Ein bis drei würden für diese Aufgaben
gesucht, mit dem Hinweis: „Kampfsportinteresse, Umgang mit Waffen, TagX-Maßnahmen.“
Die Aufgabenbeschreibung lautet: „Organsiert Teilnahme von Mitgliedern an Ausbildung im Kampfsport, organisiert Teilnahme von Mitgliedern an Ausbildung im Umgang mit Waffen. Plant
Vorgehensweise/Maßnahmen gegen Sabotage/Spionage von außen. Plant Vorgehensweise/Maßnahmen für Ernstfälle“.
Was darunter zu verstehen sein könnte, beschreibt ein zweites dem printzip vorliegendes Papier. Unter der Überschrift „Vorbereitung TagX“ ist zu lesen: „Die weltliche Lage verschärft sich
zusehenst und ein militärischer Konflikt oder andere fatale Ereignisse können zumindest in meinen Augen nicht ganz ausgeschlossen werden.“ Der Verfasser ist der Auffassung: „Hier sollten sich
Freiwillige zusammensetzen und über dieses Thema philosophieren und einen ‚Plan‘ schmieden.“
Am Ende dieses Dokuments geht es um „Aufga-benverteilung“. Der Verfasser meint: „Damit die Führung nicht so stark belastet wird und eher eine leitende als ausführende Position einnimmt, sollten
ggf. verschiedene Aufgaben an vertrauenswürdige Hände abgegeben werden. Man könnte hier „Beauftragte“ finden, die sich speziell mit gewissen Themen/Anliegen beschäftigen. Beispiele: Vorträge
koordinieren/Vortragende finden, Kontakt zur AfD, Demos, Aktionen planen, Kontakt zu anderen IB-Gruppen, Veranstaltungen (Kegeln, Wandern, Grillen…)“
Auch im anderen Papier über die Aufgabenverteilung findet sich „Verbindungsperson zu AfD“, allerdings als zur Zeit vakant. Als solche werden „Marcel und Vanessa“ vorgeschlagen.
„Aufgabenbeschreibung: nimmt häufig/ständig an Veranstaltungen der AfD teil, informiert Ortsgruppe über aktuelle Geschehnisse in der AfD und bringt mit weiteren Mitgliedern der IB die Anschten
der IB in der AfD ein“.
An wen richten sich diese Papiere und mit welchem Zweck? Eingangs schreibt der Verfasser: „Ich wollte mal ein paar Vorschläge machen. Das Ganze kann natürlich auch an andere Führungskräfte
weitergeleitet werden.“ Dann befasst er sich ausführlich mit dem regelmäßigen „Stammtisch der IB-Fulda“, der sich im Zyklus von 14 Tagen trifft bzw. getroffen haben soll: „Die IB-Fulda ist
deutlich größer als die Teilnehmerzahl, die an den Stammtischen teilnehmen. Einige Teilnehmer können arbeitsbedingt so gut wie nie am Donnerstag teilnehmen. Hier entsteht die Gefahr, dass der
Bezug zur IB schwindet und Mitglieder verloren gehen können.“ Als Lösung schweben ihm häufigere Zusammenkünfte und solche an Freitagen und Samstagen vor. Außerdem sei „schon mal angesprochen,
zwei verschiedene Stammtische stattfinden zu lassen. Der Hintergrund war der, dass es verschiedene Beweggründe gibt, in der IB aktiv zu sein. Es gibt Personen, die unter Gleichgesinnten sein
wollen und sich über dies und das unterhalten/austauschen wollen. Andere wiederum wollen etwas aktiv bewegen und Aktionen zum Aufwecken der Bevölkerung starten.“
Das Modell des Verfassers sieht daher einen „Stammtisch 1“ vor, der „Aktionen planen/bekanntgeben“ soll und dem „kennen lernen, allgemeinen Gesprächen,(…) und dem Finden weiterer Gemeinsamkeiten
und Potenziale/Fähigkeiten dienen soll. Ein „Stammtisch 2“ solle „tiefgründige Unterhaltungen, Horizont erweitern, Argumente finden, Leitbild aufbauen/ erweitern und Texte über Themen
verfassen“.
Nach Auslassungen über einen vom Verfasser vorgeschlagenen Moderator und dessen Funktion „Festlegen von Themen, Abschweifungen unterbinden (…)“ und „Gespräche lenken“ kommt es unter der
Überschrift „Unterwanderung AfD Fulda“ zu folgender Einschätzung: „Ich finde das wir unbedingt dran bleiben sollten, einen Fuß oder mehr in die AfD zu bekommen, um aktiv im politischen System von
Fulda mitzuwirken. Ich für mich habe Interesse, in die AfD Fulda einzutreten, um unser Gedankengut dort einbringen zu können. So wie ich es verstanden habe, ist die AfD Fulda eher klein
(…).“
Mit Vorträgen und Meinungsaustausch könne laut dem Verfasser eine Vielzahl an Themengebieten behandelt werden. Es ginge darum sich weiterzubilden, „über das was auf dieser Welt ‚Lustiges‘
geschieht und daraus sich ein möglichst realistisches Bild“ zu erarbeiten. „Es gibt bestimmt im Mitgliederkreis der IB Personen, die ggf. zu folgenden Themen einen kleinen Vortrag/Präsentation
halten würden und man im Anschluss ausgiebig philosophieren kann. Grundvoraussetzung hier ist der richtige Umgang mit alternativen Denkweisen und dem „Respekt“ gegenüber den Vortragenden.“
Es folgt eine Auflistung der Themengebiete darunter: „Teile und Herrsche, Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Kalter Krieg, Verschwörungstheorien: Wie viel Wahrheit steckt drin? Chemtrails,
Haarp, 9/11, Fukushima, der Krieg gegen den Terror, die EU, der Euro, (...) Schulsystem und Alternativen, wie argumentiere ich richtig, Asyl, Doppelmoral, Zynismus, GenderMainstreaming (...)“ In
einem weiteren Papier sind die Themen kategorisiert und prioritisiert (siehe Faksimile auf Seite 7).
Das Mitglied der Identitären Bewegung Fulda findet, „in der heutigen Zeit werden viele Wortkreationen geschaffen, um die Bevölkerung in eine Richtung zu leiten, die Wahrheit zu verzerren, Dinge
falsch darzustellen und eine Diskussion in der Öffentlichkeit ohne Begründung zu seinen Gunsten zu beenden – Nazikeule“. Als „aktuelle Beispiele“ werden von ihm genannt: „Verschwörungstheorie,
Lügenpresse, Putinversteher, rechts/links, Nazi, Antisemit und Islamist."
In einem dritten Dokument, das hier als Faksimile abgedruckt ist, sind „Themen zu Vorträgen und Diskussion“ kategorisiert und prioritisiert:
Autor: Timo Schadt
Die Identitäre Bewegung versucht sich nach außen den Anschein einer modernen, hippen Jugendbewegung zu geben. Sie nutzt soziale Netzwerke, veranstaltet Flashmobs, vertreibt T-Shirts und
Merchandising-Produkte in stylischen Design. Und sie sei nicht rassistisch, wie sie immer wieder betont. Hinter diesem Bild verteckst sich jedoch eine Erscheinung der Neuen Rechten mit einem
nicht zu unterschätzenden Gefahrenpotenzial.
Die Bewegung ist ein Ableger des französischen „Bloc Identitaire“. In Deutschland ist sie in der Sogwelle der Sarrazin-Debatte Ende 2012 erstmals öffentlich in Erscheinung getreten. Ihr
grundsätzliches ideologisches Konzept ist wie bei vielen neurechten Gruppen der sogenannte „Ethnopluralismus“. Dieser erkennt eine grundsätzliche Gleichwertigkeit unterschiedlicher Kulturen an,
tritt aber strikt gegen eine „Vermischung“ verschiedener Ethnien an und fordert die „kulturelle Reinhaltung“ im Sinne von Abgrenzung gegen äußere Einflüsse. Die IB fordert auf ihrer Internetseite
„eine Festung Europa, die ihre Grenzen klar verteidigt“.
Die Identitäre Bewegung scheint in Hessen besonders aktiv. 2013 hatte die Fuldaer Gruppe auf dem Turm des Stadtschlosses die EU-Flagge abhängt, eine Deutschlandflagge gehisst und ein Video davon
auf YouTube veröffentlicht. Im April 2014 gab es ein Deutschlandtreffen der Identitäre Bewegung Deutschland im Raum Fulda.
2015 wurden im Rahmen einer Anti-Zuwanderungskampagne „Stoppt den großen Austausch“ Flugblätter mit Vorurteilen gegen Geflüchtete und dem Aufruf „Widerstand zu leisten“ verteilt. Schwerpunktmäßig
erfolgte dies in Gegenden, in denen Flüchtlingsunterkünfte am entstehen waren. Zentrum war der Landkreis Fulda, schrieb der Journalist Danijel Majic in der Frankfurter Rundschau. Laut seinen
Recherchen sind die Aktivitäten der IB Hessen zentral aus dem Landkreis Fulda organisiert und koordiniert worden. Marcel V. aus Neuhof, Unternehmer und Abteilungsleiter in einem örtlichen
Sportverein, war damaliger Regionalleiter in Hessen und außerdem bis mindestens Sommer 2015 AfD-Mitglied.
Markus Weber
Die Identitäre Bewegung Hessen ist laut Recherchen der Frankfurter Rundschau eingebettet in ein rechtes Netzwerk aus AfD, dem Institut für Staatspolitik (IfS), dem rechten Magazin Blaue Narzisse und der Karbener Projektwerkstatt von Andreas Lichert. Sie sucht auch den Kontakt auch zur AfD. Wie steht die AfD dazu?
Die Kontakte zur Identitären Bewegung sind innerhalb der AfD umstritten. Die Bundesvorsitzenden der AfD-Jugend „Junge Alternative“ (JA) distanzierten sich im Juli von der Identitären Bewegung. Es seien keine aktiven Kader der Identitären Bewegung in der JA bekannt, so der Vorsitzende Frohnmaier gegenüber der F.A.Z. Laut Verfassungsschutz gibt es aber personelle Überschneidungen zwischen AfD und JA. Die Patriotische Plattform, die aus rechten AfD- und JA-Mitgliedern besteht, sprach sich gegen eine Abgrenzung der AfD gegenüber den Identitären aus.
Die AfD Hessen wird von Beobachtern als innerhalb der Partei eher rechts eingeordnet. Dafür steht auch Martin Hohmann. Bei den Kommunalwahlen 2016 war er auf Platz 1 der AfD-Liste in den Kreistag Fulda eingezogen. 2003 war er aus der CDU ausgeschlossen worden. Grund war eine Rede, bei der er gesagt hatte:
Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als „Tätervolk“ bezeichnen. […] Daher sind weder ‚die Deutschen‘ noch ‚die Juden‘ ein Tätervolk. Mit vollem Recht aber kann man sagen: Die Gottlosen mit ihren gottlosen Ideologien, sie waren das Tätervolk des letzten, blutigen Jahrhunderts.“
Die Rede war von vielen Seiten als antisemitisch kritisiert worden. In einem Interview für ein im Kopp-Verlag erschienenes Buch von Eva Hermann spekulierte Hohmann 2012: „Offensichtlich möchten einflussreiche Juden dunkle Kapitel jüdischer Geschichte lieber im Dunkeln belassen“. 2015 klagte er gegen das Kulturbüro Sachsen. Dieses hatte geschrieben: „[Hohmann] hat in einer Rede die Juden als ‚Tätervolk‘ bezeichnet“. Diese Aussage, so Hohmann, sei ein Falschzitat und erweislich unwahr. Im Juni dieses Jahres wies das Amtsgericht Dresden die Klage ab und hielt in seinem Urteil, das dem printzip vorliegt, fest:
Damit bezeichnete der Kläger somit „die Gottlosen“ als Tätervolk und damit auch die Juden, die „ihre religiösen Bindungen gekappt“ hätten. Der Versuch des Klägers, dies mit dem Satz „Daher sind weder ‚die Deutschen“, noch die ‚Juden‘ ein Tätervolk“ zu relativieren oder als sprachliches Schutzschild zu nutzen, verfängt nicht. Es geht zu Lasten des Klägers, wenn er sich sprachlicher Verwirrspiele bedient.“
Hohmann provoziert auch in der AfD, deren Mitglied er seit Frühjahr 2016 ist, weiterhin in seiner Wortwahl. Laut Spiegel sagte er zu Angela Merkels Flüchtlingspolitik: „Eine Volksgemeinschaft muss wissen, wer dazugehört und wer nicht, wie viele Fremde man aufnehmen kann, ehe die Gemeinschaft ins Chaos fällt.“ Zur Antisemitismus-Affäre um den baden-württembergischen AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon sagte er, er sehe die Meinungsfreiheit eingeschränkt durch den Volksverhetzungsparagrafen, dieses „volkspädagogische Instrument“.
Im Mai 2016 traff sich in Ludwigsau-Friedlos im Landkreis Hersfeld-Rotenburg zum ersten Mal ein sogenannter „Herkules Kreis“. Zu dem Treffen dieses angedachten parteiübergreifenden Diskussionsforums der Neuen Rechten wurde nach Recherchen des printzip bundesweit in rechten Kreisen mobilisiert. Björn Höcke war prominenter Redner. Aus Friedlos kommt Höckes Mentor Heiner Hofsommer, der sich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gerühmt hat, er habe Höcke, wie er heute ist, erfunden.
Zur Kommunalwahl irritierte im Kreis Hersfeld-Rotenburg Bernd Ebhardt aus Alheim. Der AfD-Kandidat für den Kreistag hatte über Angela Merkel geschrieben, man müsse „dieses Weib hängen“. Ein anderer Kreistagskandidat der AfD, Axel von Baumbach, hat sich von dubiosen Zirkeln, die die Bundesrepublik Deutschland als nicht-rechtmäßigen Staat diffamieren, zum „Reichsinnenminister“ ausrufen lassen. Beide sind inzwischen von ihrem Mandat für den Kreistag zurückgetreten.
Markus Weber
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