Gerade Menschen in der Stadt sehnen sich nicht
selten nach ein wenig mehr Grün. Ökologische und gesunde Nahrungsmittel werden ebenfalls immer mehr gefragt. Doch das Vertrauen zur Bio-Ware im Handel ist aufgrund diverser Skandale geschwunden.
Selbst anbauen wäre da die wohl sicherste Methode. Doch was können Menschen in der Stadt ohne eigenen Garten tun? In Fulda gibt es zwei Mitmach-Projekte, die es wert sind, hier vorgestellt zu
werden.
printzip sprach zum einen mit Stefanie Krecek, die die tegut...Saisongarten in Fulda koordiniert und zum anderen mit Mitgliedern des Projekts Zeppelingärten. Die ZeppelingärtnerInnen wollen grüne Oasen im innerstädtischen Bereich entstehen lassen, die in Verbindung mit stadtteilbezogener und nachbarschaftlicher Partizipation zu Begegnungs- und Lernorte wachsen. Die Vision ist angelehnt an Vorbildern aus der ganzen Welt. Über Recherchen und Vor Ort-Besuche hat sich die Gruppe inspirieren lassen, so etwa von bundesweit bekannten Projekten wie der Essbaren Stadt Andernach, dem Offenbacher Hafen in Frankfurt, den Prinzessinnen Gärten in Berlin, aber auch von grün-urbanen Entwicklungen im fernen New York oder Stockholm.Ein Vortrag zum Thema „Urban Gardening“ im Umweltzentrum und Gartenkultur im August 2011 inspirierte eine Handvoll Menschen aus Fulda, ein entsprechendes Lokalprojekt ins Leben zu rufen.
Yvonne Winter, seinerzeit Referentin, ist von
dem angetan, was inzwischen entstanden ist. Eine Gruppe von etwa 20 Menschen engagiert sich im Projekt „Zeppelingärten“, wie sie sich inzwischen nennen.
Den Namen verdankt das Projekt dem ehemaligen
Standort, einer unbewirtschafteten Gärtnerei, die etwas versteckt in der Fuldaer Zeppelinstraße gelegen, dem Projekt zwei Jahre als Experimentierraum diente.
„Unsere Vision ist es, Mitmachgärten,
interkulturelle Begegnungsstätten und kulturelle Treffpunkte zu schaffen“, beschreibt Yvonne Winter die Zeppelingärten-Idee.
Seit 2014 ist eine Fläche von gut 1.000
Quadratmetern im Umweltzentrum die neue Anlauf- und Wirkstätte des Projektes. „Wir als Zeppelingärtner entscheiden selber, was auf den uns zur Verfügung stehenden Flächen wachsen soll“, erklärt
Yvonne Winter und erläutert weiter, dass alle Arbeitsschritte selber oder mit Kooperationspartnern durchgeführt werden.
Das Besondere jedoch ist, „wir bearbeiten die
Flächen gemeinsam, das heißt, es gibt kein Dein und Mein“. Stephanie Eilenberger, die für die finanzielle Balance der Projektgruppe verantwortlich ist ergänzt: „Wir ernten auch häufig gemeinsam
und verarbeiten dann Gemüse und Kräuter in der Gruppe – für den Eigenbedarf oder für besondere Anlässe. Zum Beispiel um einen Infostand aufzupeppen oder für gemeinsame Gartenabende mit Kohlsuppe
und selbstgemachten Antipasti.“
Die Mitglieder sind mit ganz unterschiedlichem
gärtnerischen Vorwissen in das Abenteuer Gemeinschaftsgarten eingestiegen, darum besitzt nach wie vor das voneinander Lernen eine zentrale Bedeutung. Der Umzug in das Umweltzentrum habe eines
allen erneut bewusst gemacht, „es ist wichtig, Neues und Altes zusammen zu denken, erst die Bewahrung alter Kulturtechniken eines Bauerngartens, gekoppelt mit den Erfahrungen aus anderen
Gartentypen mit Hochbeeten, Gemüsegarten und einer freien Gartenplanung zusammen bringt spannende Kombinationsmöglichkeiten hervor“, erklärt Yvonne Winter. Die Einstellung zum „Teilen und Lernen,
aber ebenso zum Experimentieren und Fehler machen dürfen“, prägt, nach ihrer Darstellung, die tägliche Arbeit.
Neben den Flächen im Umweltzentrum
bewirtschaftet die Gruppe auch in Bronzell und in Horas Kleinflächen. Ziel ist es, in Fulda viele Orte mit ökologischem Gemüse- und Gartenbau zu etablieren, die zum aktiven Mitmachen und
Mitentscheiden einladen. Auf dieser Basis soll sich ein breites Spektrum an Aktivitäten und offenen Angeboten mit unterschiedlichen Partnern und Institutionen entwickeln.
Die Verbindung aller Aktivitäten und Projekte
mit ökologischem Gartenbau ist integraler Bestandteil dieser ganzheitlich und nachhaltig gedachten, hier real werdenden Utopie. Dabei werden soziokulturellen Ansätze und solche der Umweltbildung
insbesondere für Kinder und Jugendliche verfolgt. Es soll so die Lebensqualität Fuldas durch eine neue Form der Integration von Stadt, Bürgern und Esskultur, im Sinne einer nachhaltigen,
„essbaren“ Stadtentwicklung bereichert werden. „Uns ist natürlich klar, dass dies nur im partnerschaftlichen Dialog zwischen städtischer Verwaltungsebene und den hier lebenden Menschen gelingen
kann“, gibt Stephanie Eilenberger die Einstellung der Gruppe wieder.
Das Umweltzentrum ist hierfür ein gutes
Beispiel, können doch schon vorhandene Gartenanlagen, aber auch die übrige Logistik des Zentrums in die Konzeption eingebunden werden. Die erfahrene Gärtnerin, Karin Valentin, des Umweltzentrums
steht der Projektgruppe beratend zur Seite. Das Umweltzentrum verspricht sich durch die ehrenamtliche Gruppe eine Weiterentwicklung der bisher verfolgten Bewirtschaftungsideen. Die drei
vorhandenen Gärten des Umweltzentrums wurden zur Landesgartenschau 1994 angelegt. Ursprünglich war das Gelände ein aufgrund eines geplanten Straßenprojektes, brachliegender Nutzgarten des
Benediktinerinnen-Klosters. An dieser Stelle schließt sich auch ein inhaltlicher Kreis, denn die Benediktinerin Schwester Christa ist bereits seit Beginn der Projektinitiative eine der
Mentorinnen der Zeppelingärtner, die die Aktivitäten auch am alten Standort wohlwollend begleitete.
Die Gruppe hat darüber hinaus vor, bisher
brachliegende Flächen und Wiesen am Umweltzentrum in den kommenden Jahren in naturverträglicher Form nutzbar zu machen. Auch ein Bienenvolk soll mit in das neue Domizil umziehen. Seit der letzten
Saison genießen die Mitglieder des Vereins ihren selbstgeschleuderten Stadthonig und freuen sich, dass auch die Imkerei zu einem festen Bestandteil der Gruppenaktivitäten gehört.
Der gemeinschaftliche Arbeitsansatz der Gruppe
bedarf zwar regelmäßiger Abstimmungsprozesse, „aber wir schaffen mehr, weil es zusammen viel Freude macht und sehr organisch funktioniert“, weiß Yvonne Winter aus zwei Jahren praktischer
Erfahrung zu berichten. Aktuell ist die Gruppe im Umweltzentrum mit unterschiedlichen Arbeiten beschäftigt: „vom Rasenkantenstechen bis hin zum Pflanzen pikieren und setzen. Wir schwingen fleißig
die Hacken und Spaten“, kommentiert Stephanie Eilenberger den Ist-Zustand.
Einmal in der Woche findet ein Planungstreffen
statt, bei dem kurz- und mittelfristige Arbeiten besprochen werden. „Wir haben meist montags um 18 Uhr Teambesprechung und samstags unsere Gartenwerktage. Wer da ist, wirkt mit“, beschreibt
Winter die Organisationsstruktur und erklärt, „weiterer Austausch erfolgt über unsere E-Mailgruppe“. Unter der Woche werden die Pflanzen von kleinen vorher gebildeten Teams betreut. Die
Arbeitsprozesse sind jederzeit für Interessierte offen. Mitmachen ist ausdrücklich gewünscht. Die Arbeitszeiten sind dabei personenabhängig. Jeder bringt so viel Zeit ein, wie es ihr oder ihm im
Moment möglich ist.
Die Zeppelingärten sind eine selbstständige
Projektgruppe in Trägerschaft des gemeinnützigen „Förderverein Kultur und Umweltbildung e.V.“ Dieser ist auch Herausgeber des Monatsmagazins printzip. Ein weiteres Projekt in seiner Trägerschaft
ist die Erzeuger Verbraucher Gemeinschaft „Gelbe Rübe“ mit den Verkaufsräumen in der Langenbrückenstraße 14. Sie vertreibt donnerstags zwischen 17 und 19 Uhr auch überschüssige Gartenerzeugnisse
an Ladenbesucher. Der Förderverein fungiert als formaljuristischer Rahmen, überlässt die Ausgestaltung und Weiterentwicklung aber den jeweiligen Projektgruppen, also den Menschen, die in ihnen
mitwirken.
Aktive Mitglieder zahlen lediglich einen
Jahresbeitrag von 30 Euro. Eine Fördermitgliedschaft ist ab 80 Euro Jahresbeitrag möglich. Der Projektgruppe der Gärtnerinnen und Gärtner ist es gelungen, eine Anschubfinanzierung über
Stiftungsgelder und Spenden zu organisieren. So konnten vor allem zu Beginn notwendige Anschaffungen getätigt werden. „Wir sind kreativ im Umgang mit Ressourcen und setzen auf lokale Netzwerke“,
beschreibt Projekt-Kassenwärtin Eilenberger den finanziellen Aufwand. „Über Kontakte zu Haushaltsauflösungen findet sich immer wieder gut erhaltenes Gartenwerkzeug. Auch von privat dürfen wir uns
hin und wieder kostenfrei Geräte leihen. Das hilft enorm.“ Im Gegenzug zur Bewirtschaftung des Bauerngartens können die Urban Gardening-Aktivisten auch die zur Verfügung gestellten Flächen im
Umweltzentrum kostenfrei nutzen. „Abgesehen von all dem sind wir nicht nur ein Mitmachgarten, sondern natürlich in erster Linie auch ein Ernteort. Gemüse, Salate und Früchte können in der
Erntezeit ab 17 Uhr täglich gerne selbst gegen Spende geerntet werden“, erläutert Stephanie Eilenberger den offenen Ansatz des Projekts weiter.
Entstehen soll ebenfalls ein Ort zum Abschalten
und Platz, um Formen des neuen Zusammenwirtschaftens und gesellschaftlichen Gemeingutes auszuprobieren. Dies beinhaltet das praktische Verfolgen von interkulturellem Zusammenleben,
selbstorganisierten Gruppenprozessen, die Verteilung und Weiterverarbeitung von Gemüse, die hie-rarchiefreie Selbstorganisation und Durchführung von Kulturevents. Am alten Standort in der
Zeppelinstraße fanden bereits mehrere Kultur- und Informationsveranstaltungen statt. Einer Fortsetzung im Rahmen des Umweltzentrums steht nichts im Wege. „Zusätzlich glauben wir“, ist sich Yvonne
Winter sicher, „dass unsere gute Vernetzung zu Gruppen mit ähnlichen Zielsetzungen, Synergien im Umweltzentrum erzeugen können und interessante Möglichkeiten gemeinsamen Handelns
versprechen.“
Kontakt zu den Zeppelingärten können
Interessierte über www.facebook.com/UrbanGardeningFulda finden.
Text: Timo Schadt / Foto: Timo Schadt