Fr
17
Aug
2018
Franziska Reichenbachers Stück bei den Bad Hersfelder Festspielen 2018 führt Kinder in die Welt des Theaters ein.
Lena (Amelie Hinkel) reist mit ihrer Oma, der berühmten Schauspielerin Gertrude Weininger (Brigitte Grothum) zu den Bad Hersfelder Festspielen, um dort für eine Rolle bei Regieassistentin Patircia Knyll (Ute Reiber) vorzusprechen. Der schrullige Hausmeister mit dem Spitznamen Knauster (Horst Janson) plagt sich dort mit Mäusen herum, die auch bei den Proben des HAIR-Ensembles für allerlei Zwischenfälle sorgen. Doch Lena erfährt von Mäusekönig Roderich XXVIII (Martin Semmelrogge), dass die Mäuse (Kinder und Jugendliche aus Bad Hersfeld und Umgebung) nicht nur allerlei Bühnenzubehör klauen, sondern auch für den Erfolg der Musicals bei den Bad Hersfelder Festspiele verantwortlich sind, da sie immer mitsingen. Gertrude Weininger erkennt in Knauster ihren alten Schauspielpartnert, mit dem sie vor Jahren in "Romeo und Julia" auf der Bühne stand. Doch dann trinkt Knauser aus Versehen das Gift, das er für die Mäse vorgesehen hatte.
Lustige Requisiten, Stücke aus dem aktuellen Musical HAIR, prominente Festspiel-Darsteller zusammen mit Nachwuchs, dem es sichtlich Spaß macht, auf der Bühne zu stehen - "Lenas Geheimnis - Von Menschen, Mäusen, Zauberwesen" ist noch an 3 Terminen in der Stiftsruine zu sehen.
Aufführungen: 19. August, 11 Uhr / 20. August, 10:30 Uhr / 21. August, 10:30 Uhr
Tickets: 06621 640200, ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de
Infos: https://www.bad-hersfelder-festspiele.de/ensemble/lenas-geheimnis.html
Text & Fotos: Markus Weber
Mi
02
Aug
2017
Auf eine Reise in die italienischen Opern luden die Bad Hersfelder Festspiele. Höhepunkte aus großen Opern von Verdi, Puccini, Bellini und Donizetti bildeten einen guten Einstieg in diesen Kosmos, z.B. "Casta Diva" aus Norma (Bellini), Verdis Gefangenenchor aus Nabucco, den der Chor auf den Treppen zwischen den Zuschauern aufführte, Szenen aus Puccinis Tosca oder als Abschluss "Brindisi" aus Verdis La Traviata.
Corinna Pohlmann, die auch in Hexenjagd und Martin Luther - Der Anschlag zu sehen ist, führte durch den Abend, in dem sie als Erzählerin 19 Szenen aus 10 Opern zu einer neuen, freilich nicht immer ganz logischen Geschichte zusammenfügte. Sie ordnete die Handlungen und Rollen der Beteiligten frei nach ihrem Belieben, unterbrach, wenn es doch etwas zu melodramatisch wurde, hatte lakonische Kommentare und bissige Erläuterungen parat und sorgte dafür, dass der Abend immer mit einem Augenzwinkern verlief und schließlich doch noch glücklich endete - selten für eine Oper.
Im Endeffekt ging es aber natürlich vor allem um die Musik. Zu sehen und hören waren Nadja Stefanoff (Sopran - sie wurde bei der Aufführung am 1. August mit besonders großem Applaus bedacht), Zurab Zurabishvili (Tenor), Kwang-keun Lee (Bariton - er kam erst kurzfristig dazu, nachdem ein anderer Solist ausgefallen war), der Hessische Konzert- und Festspielchor, Mitglieder des Landesjugendchores Hessen und das Orchester Virtuosi Brunenses.
Heute, am 2. August, ist ab 20 Uhr noch einmal Italienische Nacht in der Stiftsruine.
Infos: http://www.bad-hersfelder-festspiele.de/konzerte/italienische-nacht.html
Tickets (ab 29 Euro): 06621 / 640200, ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de
Markus Weber
Di
01
Aug
2017
Gerüchte, die sich festsetzen und sich ausbreiten, ohne auch nur im geringsten Fakten zu entsprechen: Das Thema von Hexenjagd tritt in der diesjährigen Inszenierung noch etwas stärker hervor als letztes Jahr. Ist es wegen einiger Akzentuierungen, die vorgenommen wurden – oder ist es vielleicht stärker, weil das Thema „Fake News“ dieses Jahr so sehr in der Öffentlichkeit steht?
Regisseur und Intendant Dieter Wedel versteht es jedenfalls, aktuelle Bezüge zu betonen und das Zeitlose hervorzuheben. Die Handlung des Theaterstücks, in der Menschen wegen Hexerei hingerichtet werden, beruht auf realen Ereignisse von 1692. Sie ist sicherlich schon in den USA der 1930er Jahre, wo Wedel die Inszenierung ansiedelt, ein Anachronismus. Allerdings sind die Grundmechanismen auch auf heute übertragbar: Die Welle von Lügen, Verdächtigungen und Anschuldigungen, die sich steigert in Hysterie und Verfolgungswahn oder der Glaube an dunkle Mächte.
Die Eingangssequenz wurde gegenüber 2016 leicht geändert, so dass der Faktor der Gerüchte und ihrer Verbreitung stärker hervortritt. Außerdem wird auch die Motivation des reichen Putnam klarer, dem die Anschuldigungen sehr gelegen kommen und der sie anstachelt. Christian Nickel als John Proctor ist in dieser Saison wahrlich omnipräsent und überragt schauspielerisch die Festspiele. Statt André Eisermann spielt Tilo Keiner den Pastor Parris – dank der Maske ähnlich im Erscheinungsbild, doch etwas weniger mit der gewissen zur Rolle passenden Trotteligkeit agierend. Motsi Mabus wird im Juli von ihrer Schwester Otlile vertreten.
Auch wenn die Inszenierung ansonsten im Großen und Ganzen die selbe bleibt und nicht mehr so stark den Reiz des Neuen hat: Wer noch nicht die Chance hatte, Hexenjagd bei den Bad Hersfelder Festspielen zu sehen, sollte es nachholen. Am 11. August 2017 wird sie das letzte mal aufgeführt.
Weitere Infos und Aufführungstermine: http://www.bad-hersfelder-festspiele.de/spielplan/hexenjagd.html
Tickets (ab 29 Euro): 06621 / 640200, ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de
Text: Markus Weber
Fotos: Timo Schadt und Markus Weber
erschienen im printzip August 2017
Mo
24
Jul
2017
Ein monumentales Musical über einen monumentalen Untergang in der monumentalen Kulisse der Stiftsruine. Zugegeben, bei dem Musical Titanic konnte eigentlich nicht viel schiefgehen. Dennoch beeindruckt die Inszenierung von Stefan Huber bei den diesjährigen Bad Hersfelder Festspielen nachhaltig.
Das Musical, das vor dem Film mit Leonardo di Caprio entstand, wurde 1997 in fünf Kategorien beim Tony Award, dem „Musical-Oscar“, ausgezeichnet.
Es erzählt von den Umständen, die zum Untergang des „größten beweglichen Objekts aller Zeiten“ und zum Tod von über 1000 Menschen führten - etwa von der Profitgier der Schiffahrtgesellschaft, die weniger als die Hälfte der benötigten Rettungsboote eingebaut hatte, um mehr Tickets verkaufen zu können. Es erzählt aber auch von den in drei Klassen reisenden Passagieren, von ihren Hoffnungen und Träumen auf ein besseres Leben, von der Dekadenz der Oberklasse. Besonders berühren auch die Einzelschicksale: ein Heizer lässt durch einen Funker einen Heiratsantrag quer über den Ozean schicken, ein altes Ehepaar bleibt an Bord und lässt den jüngeren Vortritt auf die Rettungsboote.
Bei den über 40 Darsteller*innen gibt es keine Schwachstelle, sie überzeugen durchweg mit starkem Gesang. Das Orchester spielt sehr genau abgestimmt zum Stück und stets mit einer angemessenen
Dynamik. Die Bühne wird mit übergroßen drehbaren und mehretagigen Elementen großzügig bespielt. Diese bilden den Schriftzug TITANIC, später dienen etwa obere Geschosse als Brücke, untere als
Heizumgskeller. Ein großer Steg über den Innenraum der Bühne, der in manchen Szenen bis ganz oben hochgezogen wird, überragt alles.
Kein Wunder also, dass das Stück bei der Premiere euphorisch angenommen und mit lange anhaltendem stehenden Applaus honoriert
wurde.
Weitere Infos
Tickets: 06621 / 640200, ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de
Text: Markus Weber
Fotos: Timo Schadt, Markus Weber
Mi
19
Jul
2017
Nur vier Darsteller für über vierzig Rollen: Dies wurde nicht aus Not, sondern bewusst gewählt und schafft den eigentlichen Unterhaltungswert der turbulenten Kriminalkomödie „Die 39
Stufen“ im Rahmen der Bad Hersfelder Festspiele im Schloss Eichhof. Kurzweile ist
hier garantiert.
Der Roman von John Buchan wurde 1935 von Alfred Hitchcock verfilmt. Dabei waren viele klassische Elemente seiner späteren Filme schon enthalten: Ein Normalo gerät plötzlich in ein Komplott um Agenten, Staatsgeheimnisse, schöne Frauen und Verfolgungsjagden. Auch ein MacGuffin fehlt nicht - ein Gegenstand oder ein Geheimnis (hier: eben die "39 Stufen"), das aber im Endeffekt gar nicht so zentral ist, sondern vor allem dazu dient, die Handlung voranzutreiben.
Im Verlaufe mehrere Bearbeitungen ist aus der zwar soliden, aber stark episodenhaften und etwas altmodischen Agententhriller-Handlung eine furiose Komödie entstanden, gespickt mit zahlreichen Gags, Hommagen an das Genre und Gesangsnummern, die im Schloss Eichhof von einem bestens aufgelegten Ensemble und mit aberwitzigen bis absurden Einfällen dargeboten wird.
Stefan Kaminsky spielt Richard Hannay, der in eine Spionage-Affäre gerät, solide in Sprache, Mimik und mit vollem körperlichem Einsatz. Sarah Elena Timpe ist in drei Rollen zu sehen: als
geheimnisvolle Femme fatale, als unglückliche Ehefrau und als zufällige Begegnung, die sich in den Helden verliebt - alles etwas übertrieben gespielt, aber eben so, wie es das jeweilige Klischee
verlangt.
Das Highlight der Inszenierung sind Markus Majowski und Martin Semmelrogge, die jeweils etwa 20 unterschiedliche Rollen spielen - teils in blitzschnellem Wechsel zwischen verschiedenen Rollen und untereinander, teils in aberwitzigen Figuren wie Männern unter Laternen (mit Laternen auf dem Kopf), einem Hahn oder einer blubbernden Stelle im Moor.
Die Kulissen sind eher minimalistisch, werden aber kreativ verwendet: eine Leiter wird auch mal zu einem Bett, einer Brücke oder einer Felsspalte, eine Haustür zum Esstisch. Das Publikum hat
nicht nur reichlich zu lachen, sondern darf mit Geräuschdosen für die akustische Illusion einer Schafherde sorgen – und damit bei der einzigen Schwachstelle der Inszenierung, der nicht immer ganz
sitzenden Geräuschkulisse, aushelfen.
Positiv zu vermerken ist, dass dieses Jahr wieder der ganze Eichhof mitsamt der oberen Stockwerke einbezogen wird – wozu spielt man schließlich in einer derartigen Kulisse?
Ticket-Service: 06621 / 640200 oder ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de
Text: Markus Weber
Fotos: Timo Schadt/ Markus Weber
Sa
24
Jun
2017
"Wir leben in ungewöhnlichen Zeiten. Alles ist im Umbruch“, schallt es von der Bühne und meint zugleich die Zeit vor 500 Jahren wie die Gegenwart.
Man gebe einem großen Regisseur einen großen Etat, einen großen Spielort, ein großartiges Ensemble und ein großes Thema über eine große Zeit... Dr. Dieter Wedel, der Intendant der Bad Hersfelder
Festspiele, hat zum Lutherjahr einen bemerkenswerten Beitrag abgeliefert. Er hat auch dann, wenn infolge eines Streits nur einen Tag vor der Premiere ein wichtiger Schauspieler abhanden kam, ja
vielleicht gerade deshalb einen Superlativ in die Stiftsruine gebracht. Auf einer sich vielfältig verändernden Bühne mit zwei übergroßen LED-Leinwänden lässt er nicht einen Luther, sondern eine
Dreifaltigkeit auftreten: Maximilian Pulst als Luther, der Überhebliche, Janina Stopper als Luther, der Verzweifelte und Christian Nickel (Foto oben links) als Luther der Reformator und Luther
der Wutbürger.
Er hat aufwändige Einspieler produziert, die mit der Bühnenhandlung kommunizieren. Sie transportieren historische Orte und Ereignisse in die Stiftsruine.
Dr. Wedel hatte angekündigt, was er letztlich liefert: Einen höchst kritischen Blick auf den Menschen Luther. Natürlich erhebt er dabei nicht den Anspruch auf absolut historische Genauigkeit. Ein
selbst noch so begnadeter Regisseur, mit einem mächtigen Etat, kann dies nicht verwirklichen, zumal er, unweigerlich zeitlich begrenzt, ein breites Publikum unterhalten soll. Doch hat Wedel quasi
alle Aspekte zumindest angerissen, welche die Figur Luther in ihrem Kontext zur Geschichte der letzten 500 Jahre erklärt. Und, in der Tat, er stellt den gerade heute oft verklärten Luther als
Egozentriker dar. Luther war demnach machtgierig, korrupt und propagierte ohne Rücksicht auf seine Mitmenschen mit populistischen Methoden seine diffusen antijüdischen und frauenfeindlichen
Ansichten. Gerade über die Einspieler auf den Leinwänden suggeriert der Intendant, welche negativen Wirkungen Luther bis in die Gegenwart entfaltet. Er zeigt dort und auf der Bühne, welche
Mechanismen heute wie damals funktionieren: „Sie jubeln, auch wenn Du brennst“, spricht Traumbesetzung Robert Joseph Bartl (Foto oben rechts) als Kardinal Thomas Cajetan zum narzisstischen
Luther. Und Claude-Oliver Rudolh, der den Dominikaner Johann Tetzel spielt, bringt sein ewig geltendes berühmtes Zitat zum Ablasshandel: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer
springt.“
Wedel blendet dabei nicht die positiven Einflüsse insbesondere auf die zu Luthers Zeit übermächtige römische Kirche aus. Luther war der Reformator und ein wesentlicher Veränderer der Welt. Auch
wenn er sich nicht nur eigener Thesen bediente und auch weil er trotz seiner menschlichen Schwächen bis heute zur überhöhten Galionsfigur stilisiert wird. Selbst Luthers Verdauungsprobleme
bleiben nicht unerwähnt.
Das, was das Publikum der Bad Hersfelder Festspiele mit Luther geboten bekommt, ist sicherlich kein leichter Tobak. Der Intendant biedert sich nicht dem Mainstream an, macht keine platte
Unterhaltung, sondern fordert seine Zuschauer*innen heraus. Er hat das Privileg, dabei aus dem Vollen zu schöpfen, Geld in die Hand zu nehmen, bekannte Namen in kleinen Rollen zu besetzen,
niemandem nach der Pfeife tanzen zu müssen und sein ganz persönliches Bild von Luther darstellen zu können. Den Stoff hat Wedel tief recherchiert, intensiv aufbereitet und provokativ
umgesetzt.Trotz großem Aufwand bleibt es wenig effekthascherisch. Die teils neuzeitlichen Kostüme und Bühnenbilder, symbolisieren die Zeitlosigkeit und Gegenwärtigkeit des Themas.
Dass ihm im Vorfeld ein optisch und vielleicht sogar von den Wesenszügen her passender Darsteller abhanden kam, schmälert nicht im Geringsten das Ergebnis. Es wirkt so, als hätte der Vorfall das Ensemble geradezu angespornt, noch größeres Theater abzuliefern. Die Darsteller sind dabei außerordentlich engagiert und lassen die Zuschauer*innen nicht spüren, dass hinter der Bühne ein Drama abgegangen ist. Stand die Premiere wirklich auf der Kippe? „Manchmal ist Angst zu haben, auch ein guter Schutz“, sagte Hans Diehl als Generalvikar im Stück. Wie treffend.
Text: Timo Schadt
Fotos: Timo Schadt und Markus Weber
Do
01
Jun
2017
Das tapfere Schneiderlein soll angeblich ein Bad Hersfelder sein. Sicher ist: Ab 13. Juni wird es als erstes Stück bei den diesjährigen Bad Hersfelder Festspielen zu sehen sein, und das in einem neuen Theaterzelt. Am Mittwoch, 31. Mai, bekam die Presse die Gelegenheit für erste Bilder des Ensembles und einen Einblick in die Proben.
Seit zwei Wochen laufen die Proben, weitere zwei Wochen werden sie noch dauern. Die Fotos zeigen die Schauspieler*innen in Probenkostümen, diese können eventuell noch etwas verändert werden.
Angeblich handele es sich um ein Bad Hersfelder Märchen, so Franziska Reichenbacher, die nach "Die goldene Gans" im letzten Jahr erneut
ein Grimm-Märchen inszeniert hat. Wissenschaftlich belegen ließe sich dies aber nicht. Zumindest kannten die Grimms Bad Hersfeld und dort gab es damals eine große Weber- und Tuchmacherei-Szene.
Aber Märchen hätten immer auch eine allgemeingültige Ebene und seien daher übertagbar, erklärte Reichenbacher.
Das ursprünglich ziemlich „rustikale“, vielleicht auch etwas brutale Märchen hat sie in ihrer Version verändert. Das Grimmsche Schneiderlein war ein echter Angeber und Aufschneider. Das wurde nun
umgedreht. In der Hersfelder Inszenierung reagieren die Leute auf das Schneiderlein (Sasha Bornemann, im Vorjahr als Dummling in „Die goldene Gans“ zu sehen) anders, weil sie eine andere
Vorstellung von ihm haben als früher. „Sieben auf einen Streich“ ist auch ganz beeindruckend, wenn man denkt, es handle sich um besiegte Soldaten anstatt, wie es tatsächlich ist, Fliegen. Und das
Schneiderlein selbst erlebt eine Verwandlung dadurch, dass es anders gesehen wird. Es steigt sogar zum Ratgeber des jungen Königs (Yorik Tortochaux) auf. Man darf gespannt sein.
Aus den Riesen bei Grimm sind ein starker Mann (Roland Schregelmann) und zwei „Riesen“ im Kabinett des Königs geworden, die Finanzministerin Ursula von Laschet (Elisabeth Degen) und der General
Knieper (Andrés Mendez). Außerdem werden Sarah Elena Timpe als Prinzessin, Neele Pettig (konnte bei diesem Termin nicht dabei sein) als Ellie, die Freundin des Schneiderleins, und Marcel Bartsch
in gleich drei Nebenrollen zu sehen sein.
Aufgeführt wird das Stück im Theaterzelt auf der Wiese vor der Stiftsruine. Dieses ist größer als im vergangenen Jahr und hat sich vor allem innen verändert: Wie ein Zirkuszelt wirkt es, mit
einer Tribüne für die Zuschauer. Im Bühnennereich ist neben einer Schneiderwerkstatt ein Bereich als Wald vorgesehen. Holzstreben des Zeltes werden dabei in der Phantasie der kleinen und großen
Zuschauer zu Bäumen. Am schönsten sei das Theater, das in der Vorstellung wirke, meinte Reichenbacher. Für das Stück wurde auch eigene Musik komponiert.
„Das tapfere Schneiderlein“ ist für Kinder ab 5 Jahren geeignet. Es wird vor und auch während der Schulferien aufgeführt, vom 13. Juni bis zum 8. Juli. Der Eintritt beträgt 10 Euro, Tickets gibt
es unter 06621 / 640200. Weitere Infos auf den Seiten der Bad Hersfelder Festspiele
Mehr über das Stück wird auch im nächsten printzip-Magazin zu finden sein. Es erscheint am 29. Juni.
Markus Weber
Am 3. Mai fand in der jetzigen „Festival Factory“ (ehemaligen Abfüllhalle) neben der Bad Hersfelder Stadthalle, die erste Pressekonferenz der diesjährigen Festspielsaison statt. Intendant Dr. Dieter Wedel verfolgte die Intention, sein neues Theaterstück „Martin Luther – Der Anschlag“ näher zu beleuchten und den ersten Probetag einzuleiten.
In Anwesenheit seines Stellvertreters Joern Hinkel und einiger engagierter Schauspieler, machte Dr. Dieter Wedel zunächst auf ein paar besondere Umstände in Bezug auf die 67. Bad Hersfelder Festspiele aufmerksam. So sei beispielsweise das Schauspiel bereits vor der ersten Pressekonferenz komplett ausverkauft gewesen. Eine Gegebenheit, die es seit Bestehen der Festspiele so nie gab.
Mit „Martin Luther – Der Anschlag“ beabsichtigt Wedel eine authentisch angedachte Inszenierung der Lebensgeschichte Luthers, welche am 23. Juni in der Stiftsruine uraufgeführt wird. Eine Besonderheit dieses Unterfangens ist Luthers Geschichte nicht einfach bloß von Anfang bis Ende nachzuerzählen, sondern ihn in verschiedenen Lebensphasen mit unterschiedlichen Charakterzügen darzustellen. Für diesen Zweck wurden ganze vier Luther-Darsteller engagiert, mitunter auch eine Frau: Janina Stopper, die für die Rolle des verzweifelten Luthers vorgesehen ist. Zudem beherbergt das Stück noch einige weitere bekannte Gesichter. Darunter auch Erol Sander als Papst Leo X., Elisabeth Lanz als Katharina von Bora, Claude Oliver Rudolph als Ablassprediger Tetzel und Paulus Manker, der den „Wutbürger“ Luther sowie dessen Vater spielt.
Für das Theaterstück wurden nach Aussage des Intendanten viele Werke Luthers und historische Aufzeichnungen seiner Person studiert. Da jedoch viele Dokumente nicht selten Lücken aufweisen, sah Wedel sich gezwungen, einige Szenen zu improvisieren. Er betont jedoch, dass Theater Geschichte kaum korrekt nacherzählen kann, sondern das Leben nachempfinden soll. Andererseits gab es Szenen, die zu komplex oder zeitaufwendig für eine normale Bühnenaufführung sind. Deshalb habe er sich dazu entschieden, vorher Filmaufnahmen jeweiliger Szenen zu drehen, um sie dann bei der Aufführung abzuspielen. An diesen wurde bereits in den Wochen zuvor gearbeitet. Durch die massive Anzahl der benötigten Schauspieler, sei der Aufwand des Unterfangens durchaus schon mit dem eines klassischen Spielfilms zu vergleichen. Ein mittelalterliches Spektakel wie „Die Wanderhure“ soll es am Ende jedoch nicht werden.
Erläuternd meint Wedel, dass Martin Luther ein Pionier in Sachen National- und Unabhängigkeitsempfinden der Deutschen gewesen sei. Durch seine Eigenschaften wie Pünktlichkeit, musikalische Ambitionen, aber eben auch seine Obrigkeitsgläubigkeit schuf er das typische Bild des Deutschen. Des Weiteren legt Wedel in seinen Ausführungen die polemische Ader Luthers und seinen Antijudaismus offen, welcher etwa Parallelen beziehungsweise Vorbildfunktion zu den Nationalsozialisten darstellt. Gerade deswegen betont Wedel, dass jedes vulgäre Wettern gegen Minderheiten während des Schauspiels rein historisch fundiert sei und nicht Wedels eigener Fantasie entspringt. Für ihn werden jedoch noch immer die widerlichsten Verbrechen unter dem Namen eines missverstandenen Gottes verbrochen. In Hinsicht dieser Thematik erzählt der Intendant von seiner modifizierten Inszenierung Arthur Millers Theaterstücks „Hexenjagd“. Das Setting dieses Schauspiels wurde bewusst in die Neuzeit versetzt, um eine Aktualisierung der Thematik durch jüngerer Geschehnisse zu verdeutlichen. Da habe sich im vergangenen Jahr einiges getan. Jäger würden schließlich heutzutage auch zu Gejagten werden.
Text: Domenic Nutrica, Fotos: Timo Schadt
Do
15
Aug
2019
„Emil und die Detektive“, das Stück für Kinder bei den Bad Hersfelder Festspielen 2019, ist ein mitreißendes Musical mit eingängigen Lieder und lustigen Einfällen. Es bietet aber auch eine konsistente Geschichte mit einer richtigen Dramaturgie und ist daher tatsächlich auch für Erwachsene unterhaltend.
Emil Tischbein (Paul Rümann), der mit seiner verwitweten Mutter (Ute Reiber) in der Kleinstadt Neustadt wohnt, fährt alleine mit dem Zug zu seiner Großmutter (Annette Lubosch) und seiner Cousine Pony Hütchen (bei der Premiere gespielt von Paula Gwenuch, bei anderen Vorstellungen teils von Kim Rosner) nach Berlin. Unterwegs klaut ihm der Schurke Grundeis (Tilo Keiner)das Geld, das Emil für die Großmutter mit dabei hat. Als er sich auf der Suche nach dem Dieb in der Großstadt verirrt, helfen ihm Gustinchen (Lara-Luisa Rühl, bei manchen Vorstellungen Diyar Ilhan als Gustav), die Professorin (Lara Hildebrand/ Mira Schäfer) und andere Berliner Kinder. Sie bilden eine geheime Detektiveinheit mit Parolen, Telefonzentrale und allem drum und dran und lassen Grundeis nicht aus den Augen.
Rundum gelungen ist die Aufführung. Vor allem die Kinderdarsteller machen ihre Sache erstaunlich gut. Bei der Premiere am Sonntag gab es begeisterten Applaus und auch Fußtrampeln von den Kindern
und Erwachsenen. Aber ein Darsteller wird am Ende der Premiere von den Kindern im Publikum kräftig ausgebuht: Tilo Keiner (Grundeis). Allerdings ist das ausnahmsweise ein Lob, da er Grundeis
einfach herrlich fies spielt (oder in seiner Solo-Nummer „Ich hasse Kinder“ singt). Mathias Schlung sorgt nicht nur in mehreren Rollen wie als Portier mit französischem Akzent für Lacher, sondern
als eine Art Erzähler (auch durch Gesangsnummern) dafür, dass alle der Handlung folgen können. Zwar geht es um einen Kriminalfall, aber auch um Freundschaft und Familie, zwar ist es auch etwas
spannend, aber durch lustige Momente immer wieder aufgelockert, so dass die Altersempfehlung ab 5 Jahren gut zutreffen sollte.
Die Bühnendeko besteht zu eine großen Teil aus Koffern, die aber kreativ genutzt werden: So sitzen Kinder auf ihnen mit einem imaginären Lenkrad in der Hand und andere schieben sie, um Autos zu
simulieren. Oder es werden aus den Koffern Zugabteile, Hotelrezeption oder Bank errichtet.
Das Musical nach dem berühmten Roman von Erich Kästner stammt von Marc Schubring (Musik), der auch bei der Premiere anwesend war, und Wolfgang Adenberg (Text). Inszeniert wurde es von Rainer
Niermann. Die begleitende Musik wird zwar nicht live gespielt, aber im Ernst: welches Kind wird sich daran groß stören?
Einziger weiterer Kritikpunkt: Das Stück ist fast zu schade, um „nur“ um 9:30 und 15:00 Uhr aufgeführt zu werden.
Weitere Informationen und die Aufführungstermine finden sich unter: https://www.bad-hersfelder-festspiele.de/spielplan/emil-und-die-detektive.html
Fr
02
Aug
2019
Ein einziger Schauspieler steht in einem kleinen Raum in einem Museum auf einer spärlichen Bühne – wird das nicht langweilig? Nein, die gut 60 Minuten, die „NIPPLEJESUS“ dauert, vergehen wie im Flug. Das liegt vor allem an dem unterhaltsamen Stück und an Schauspieler Andrés Mendez.
Die Bad Hersfelder Festspiele nutzen erstmals die Kapelle im Museum für eine Aufführung. Um zu dieser zu gelangen, müssen die Besucher durch den Kapitalsaal des Museums im Stift (dem direkt an die Stiftsruine anschließenden Gebäude), eine kleine Wendeltreppe hinauf und dann durch die Ausstellung im Dachgeschoss, um dem Raum zu gelangen. Etwa 40 Zuschauer haben dort Platz. Herein kommt Andrés Mendez als Museumswärter Dave – und die Aufführung beginnt.
Dave hat den Job als Wächter in einer Kunstgalerie erst seit kurzem. Bekommen hat er ihn nicht, weil er etwa ein großer Kunstkenner wäre, sondern, weil er vorher Türsteher vor einem Nachtclub war und groß, glatzköpfig und tätowiert ist. Seine Aufgabe besteht darin, ein einziges Kunstwerk zu bewachen: ein Bildnis eines gekreuzigten Jesus. Erst wenn man nahe heran geht, entdeckt man, dass er aus Millionen ausgeschnittenen Bildern von Frauenbrüsten gefertigt ist – und so heißt das Kunstwerk konsequenterweise NIPPLEJESUS. Zwar steht es in einem eigenen, mit einem Vorhang getrennten Raum mit einem Warnhinweis, doch regen sich schon nach kurzer Zeit öffentliche Proteste gegen das Bild. Nachdem Dave die Künstlerin kennenlernt - die er erstaunlicherweise nett findet - beginnt er, sich über das Werk Gedanken zu machen. Schließlich verteidigt er es immer engagierter gegen Kritik – und sogar gegen tätliche Angriffe.
NIPPLEJESUS ist lustig, aber nicht platt. Besonders treffend wird es etwa, wenn Dave die Kunstwelt betrachtet. Der auf dem Boden gebliebene, ehrlich arbeitende Familienvater hat zunächst Vorurteile gegenüber der abgehobenen Kunstszene. Durch die Begegnung mit einigen Museumsbesuchern wandelt sich sein Bild. Am Ende stellt sich aber andererseits wieder heraus, dass die Künstlerin mit dem Werk etwas ganz anderes, recht Oberflächliches vorhatte – und dass sie sich noch nicht einmal an Dave erinnern kann. Ist sie vielleicht gar nicht so tiefgründig, wie Dave bei seinen Reflexionen über das Kunstwerk angenommen hat, und doch so abgehoben, wie er am Anfang dachte? Sicher nur eine mögliche Interpretationsweise. Trotz nachdenklicher Passagen ist das Stück aber vor allem unterhaltend.
Die Vorlage ist eine Kurzgeschichte (ja, sie heißt wirklich NIPPLEJESUS) von Nick Hornby. Von diesem wurde auch der Roman A Long Way Down geschrieben, der derzeit im Schloss Eichhof aufgeführt wird. Festspiel-Dramaturgin Dr. Bettina Wilts führt bei NIPPLEJESUS zusätzlich Regie. Auf der Bühne steht (neben Andrés Mendez) eine Skulptur aus knallbunten Gießkannen, Fliegenklatschen und Staubwedeln. Stammt sie aus einer modernen Kunstgalerie? Wurde sie von Kindern gebastelt? Beides scheint möglich.
Zugegeben, das Bühnenstück hätte auch als Lesung oder Hörbuch funktioniert. Aber dann hätte man nicht alles vom tollen Schauspiel des einzigen Darstellers mitbekommen. Auch wenn beispielsweise NIPPLEJESUS selbst nicht zu sehen ist, kann man sich das Bild durch seine Beschreibungen doch lebhaft vorstellen. Ähnlich, wenn Mendez in der Rolle als Dave andere Personen zitiert oder sie nachmacht.
Die Aufführungsstätte passt nicht nur inhaltlich, sie stellt neben den Darbietungen in der großen Spielstätte der Stiftsruine und neben Schloss Eichhof ein interessantes Zusatzangebot im Repertoire der Festspiele dar und sorgt für einen netten, gemütlichen Abend.
Mo
22
Jul
2019
Selbstmord als Hauptthema eines Stücks – keine leichte Herausforderung. Mit „A Long Way Down“, das im Rahmen der Bad Hersfelder Festspiele am Samstag im Schloss Eichhof erstmals als
Theaterstück aufgeführt wurde, aber ist eine warmherzige Tragikomödie gelungen.
Nicht ganz so leichtfüßig wie bei manch anderen Stücken im Eichhof ging es zu, wenn auch beileibe nicht todernst. Denn immer wieder gibt es Gelegenheit, mit den (und nicht über die) vier
Protagonisten zu lachen.
Auf dem Dach eines Londoner Hochhauses kommt es in der Silvesternacht zu einer ungewöhnlichen Begegnung. Vier Menschen laufen sich über den Weg, die sich umbringen wollen. Martin, ehemaliger Fernseh-Moderator, saß im Gefängnis, da er mit einer 15-jährigen geschlafen hat. Maureen hat einen 19-jährigen schwerstbehinderten Sohn und seine Pflege beansprucht ihr ganzes Leben. JJ gibt an, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden (später stelle sich heraus, dass seine Band sich aufgelöst und seine Freundin sich von ihm getrennt hat). Jess stalkt einen Typen namens Chas, mit dem sie einmal geschlafen hat und der sich nicht bei ihr meldet.
Da die anderen der Meinung sind, dass das doch kein Grund ist, sich umzubringen, beschließen sie, ihr zu helfen. Als nächsten „Termin“ für den Selbstmord setzten sie Valentinstag fest. In den
kommenden – und immer mehr werdenden - Wochen helfen sie sich gegenseitig. Sie überlegen, durch welche Punkte ihnen ihr Leben nicht mehr so unerträglich scheinen würde. Am Ende gibt es kein
wundersames Happy End, bei dem plötzlich alles gut wird, aber eine glaubwürdige, schrittweise Verbesserung, durch die die vier auch die positiven Seiten zu erkennen beginnen.
Neben Peter Englert, der in mehreren Nebenrollen zu sehen ist, stehen den größten Teil des Stückes vier Darsteller auf der Bühne. Karsten Speck spielt Martin klug und der Rolle gemäß leicht
arrogant. Pikant (oder gewollt?) dabei: Speck saß selbst im Gefängnis, wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs und Steuerhinterziehung.„Die Figur hat nichts mit mir zu tun. Man muss kein Mörder
sein, um einen Mörder zu spielen“, sagt er, aber auch: „Ich kann mir vorstellen, wie er sich fühlt und das sehe ich positiv. Ich glaube, es ist uns gelungen, die entscheidenden Charaktere
herauszuarbeiten ...“ Womit er Recht hat: Natascha Hirthe spielt Maureen darstellerisch etwas hölzern, etwas wie in diesen alten deutschen Fernsehfilmen - aber das passt auch zu dem eher spröden
Charakter. Helena Sigal wirkt etwas übertrieben nervig, wie es die Rolle hergibt, und bleibt eigentlich das ganze Stück recht oberflächlich. Mick Riesbeck ist als JJ dagegen ruhiger und
reflektierter und den Typ Straßenmusiker nimmt man ihm sofort ab.
Der 2005 erschienene Roman von Nick Hornby war 2014 unter anderem mit Pierce Brosnan verfilmt worden. Von der Dramaturgin der Bad Hersfelder Festspiele. Bettina Wilts wurde er nun erstmals
für die Bühne bearbeitet.
Regie führte Christian Nickel, der in den letzten Jahren als Hauptdarsteller in „Hexenjagd“ und „Martin Luther – Der Anschlag“ bei den Bad Hersfelder Festspielen Kritiker und Publikum
begeisterte. Über das Stück sagt er „Mit klugem Humor erzählt Nick Hornby von der Brutalität und Einsamkeit des Großstadtlebens und von dem menschlichen Bedürfnis nach gegenseitiger Wahrnehmung,
ein Thema, das erst einmal nicht zum Lachen reizt. Doch genau diese Herausforderung gefällt mir: auf der Bühne zu zeigen, wie aus Verzweiflung Lebensfreude und Lachen entstehen kann und daraus
einen unterhaltenden Abend mit Tiefgang zu machen.“ Und die Herausforderung hat Nickel gemeistert.
Allein das Bühnenbild ist enttäuschend, man hätte sich von diesem im Vorfeld mehr erwarten können: das Hochhaus wird einfach durch eine bedruckte Wand im Hintergrund auf der Bühne
dargestellt. Die Kulisse des Eichhofs wird kaum genutzt.
Doch warum es nicht wie die Protagonisten des Stückes machen: die positiven Seiten sehen, von denen es bei dieser Inszenierung genug gibt. Dann steht einem schönen Theaterabend nichts im
Weg.
Di
16
Jul
2019
Eine gute Sängerin macht noch kein gutes Musical. Katharine Mehrling sorgte vergangenen Freitag bei den Bad Hersfelder Festspielen im Musical „Funny Girl“ mit ihrer kräftigen, variablen Stimmung für Furore. Auch schauspielerisch überzeugte sie in der Rolle der Fanny Brice, als "Ulknudel", aber auch in traurigeren Momenten. Am Bühnenbild mit der großen Showtreppe oder an den Kostümen gibt es nichts auszusetzen. Das Stück, das selbst das Show-Geschäft schildert, liefert alle Arten von Showeinlagen: Tanzvorführungen, Steppen, Komik, Live-Musik, große Auftritte. Doch bleibt das, was dargeboten wird, nichtssagend und belanglos.
Die Handlung von „Funny Girl“ ist kaum der Rede wert: Es geht um das Leben der Entertainerin Fanny Brice, die in den 1910er bis 30er Jahren sehr erfolgreich war. Weder ist die Geschichte interessant, spannend, noch besonders emotional, noch nicht einmal kitschig. Fanny steht, seit sie 13 Jahre alt ist, auf der Bühne. Da sie nicht ganz so hübsch ist wie die anderen Musical-Darstellerinnen (wenig subtil im Song „Wenn ne Frau nicht ganz hübsch ist“), konzentriert sie sich bei ihren Auftritten aufs Komödiantische. Und weil sie nun einmal witzig ist und gut singen kann, wird sie erfolgreich im Unterhaltungsgeschäft – welche Überraschung! Sie verliebt sich, heiratet, am Ende lässt sie sich von ihrem Mann scheiden. Dass dieser in der Realität ein Falschspieler und Betrüger war, hätte vielleicht noch etwas irgendwie Interessantes hergegeben, hier bleibt es bei der Erwähnung eines Betrugsfalls.
In die wenig bewegende Handlung eingebunden werden Musical-Nummern, dargeboten von den Musical-Darstellern, die Musical-Darsteller spielen. Von den Musikstücken hat man nachher nur noch „Don't Rain on My Parade“ in Erinnerung, das dankenswerterweise in Variationen mehrmals gespielt wird.
Der Darsteller von Fanny Mann, Alen Hodzovic, hat seine Stärke wahrlich nicht im Schauspiel, wo er anfangs fast wie ein Laiendarsteller wirkt, aber später, wenn er etwas emotionaler wird, doch wenigstens annehmbar agiert. Da er zwar gut singt, aber nur zwei Nummern hat, nicht gerade die perfekte Besetzung. Marc Seitz, der einen Choreographen tanzt, singt und spielt, tanzt und singt gut, verhaspelte sich bei der Premiere aber ein paar mal. Gut macht seine Sache Heinrich Schafmeister, der der Versuchung widersteht, den Theaterproduzenten Ziegfeld zu übertrieben darzustellen.
Sicher, wer ein großer Musical-Fan ist, kann sich an dem Abend entspannt unterhalten lassen. Das Premierenpublikum sah es auch so und spendete großen Applaus und es dauerte nicht lange bis zu Standing Ovations.
Erwartet man jedoch wenigstens ein wenig Tiefgang, ist „Funny Girl“ in dieser Hinsicht insgesamt die schwächste Aufführung der Bad Hersfelder Festspiele der letzten Jahre.
Text & Fotos: Markus Weber
Mo
08
Jul
2019
Willkürliche Verhaftungen; die Undurchsichtigkeit des Beamtenapparates; der kleine Bürger, der Justiz und Anwälten hilf- und ahnungslos ausgeliefert ist; Verdächtigungen, die zu Wahrheiten werden: Zur Eröffnung der Bad Hersfelder Festspiele 2019 zeigte Joern Hinkel mit seiner Inszenierung die Aktualität von Franz Kafkas "Der Prozess".
Anders als Peer Gynt letztes Jahr ist „Der Prozess“ 2019 zurückhaltend, schlägt seine politische Botschaft nicht mit dem Holzhammer ein. Doch ist sie klar: Etwas wie Franz K. kann Menschen in manchen Staaten auch heute passieren. Dabei spielt die offizielle Anschuldigung im Endeffekt keine große Rolle (bei Kafka ist es ja bekanntlich so weit getrieben, dass Josef K. Bis zum Ende nicht weiß, wessen er bezichtigt wird). Deutlicher wurde Deniz Yücel, der in seiner Rede bei der Eröffnung Parallelen zu staatlichen Behörden in Deutschland zog und den Verfassungsschutz als „gefährlichste Behörde Deutschlands“ bezeichnete.
In seiner Fassung hat Hinkel einiges an dem Werk verändert, die Sprache verständlicher gemacht und Figuren ausgebaut. Ein paar Aktualisierungen kommen dazu, die aber nicht aufgesetzt sind: Der Maler ist zum Beispiel auch ein Fotograf.
Als Kulisse dienen große Aktenschränke, die Kostüme sind großenteils grau und Schwarz. Ein trister Eindruck, der perfekt zur Stimmung passt.
Die Rolle des Josef K. gibt viel her für einen Schauspieler, und Ronny Miersch macht keine Fehler, er strahlt aber auch nicht besonders. Dieter Laser dagegen spielt den Advokaten Huld wie eine Parodie auf auf eine Persiflage auf Overacting beim Spielen einer absurden übertriebenen Figur. Jürgen Hartmann spielt als stellvertretender Bankdirektor zwar auch etwas stark auf, doch immerhin ist seine – freilich auch überspitzte - Figur doch eine gut beobachtete.
Die Rollen von Marianne Sägebrecht und Ingrid Steeger sind so klein wie für die Handlung unwichtig. Doch als bekannte Fernsehgesichter , die auch manchen Nicht-Theater-Gängern ein Begriff sein dürften, wirken sie publicity-trächtig, wie die Medienberichterstattung zeigt. Sei es den Festspielen gegönnt, es schadet der Besetzung jedenfalls nicht.
Am Ende der Premiere blieb zwar eine beklemmende Stimmung, doch die Aufführung wurde mit großem Applaus und einigen stehenden Ovationen bedacht.
Mo
27
Aug
2018
Horst Janson glänzt in der Bühnenfassung von Ernest Hemingways weltberühmter Novelle bei den Bad Hersfelder Festspielen 2018.
Do
16
Aug
2018
Das Musical "HAIR" bei den Bad Hersfelder Festspielen 2018 ist ein buntes Spektakel mit großartiger Musik, bunten Kostümen und rasanten Tanzeinlagen.
Es mag argumentiert werden können, dass HAIR eigentlich gar kein wirkliches Musical ist. Weder gibt es Lieder, die die Handlung wirklich vorantreiben, noch gibt es überhaupt eine Handlung, die der Rede wert wäre. Eher ist es ein großes Konzert mit Tanz und dazu ein paar überleitenden Schauspielszenen. Ganz konsequent bleiben in der Bad Hersfelder Inszenierung die Songs dann auch in englischer Sprache. Es kommt ganz auf die Musik an, die Choreographien und die Stimmungen und Einstellungen, die transportiert werden.
Zum Glück verzichtet Regisseur Gil Mehmert, anders als Robert Schuster bei Peer Gynt, auf bemühte aktuelle Bezüge. Man stelle sich beispielsweise vor, aus dem Hippie-Musical HAIR werde ein zeitgemäßes Hipster-Musical BEARD...
„Man kann HAIR nicht mehr so spielen, wie vor 50 Jahren. Aber man begibt sich immer auf dünnes Eis, wenn man sich an der Tagespolitik, oder zum Beispiel an Trump abarbeitet. Wir machen eine Ikonografie der 70er-Jahre. Es treten unter anderem Jimi Hendrix und Liz Taylor auf. Und wir zitieren Woodstock als DAS Happening dieser Zeit“, erklärt Mehmert. "Was ist HAIR in dieser Inszenierung? Eine Hommage an eine Generation, die für einen Sommer die Zeit angehalten hat mit ihren Gedanken und ihren Gefühlen. Eine Revue über Amerika und ihre Einflüsse auf Politik, Kultur und Gesellschaft. Eine Geschichte über eine Jugend, die wie jede Jugend vor und nach ihnen, Normen und Werte der Eltern und Älteren in Frage stellt, an den unmittelbaren Auswirkungen auf ihr Leben leidet und versucht ein Gegenmodell zu entwickeln." Dem bleibt eigentlich nichts hinzuzufügen.
Bei der Premiere gab es mit einem Medley aus "Aquarius" und "Hair" sowie mit "Flesh Failures / Let The Sunshine In" zwei Zugaben, bei der letzteren holte das Ensemble Zuschauer*innen auf die Bühne, die gemeinsam in die laue Bad Hersfelder Sommernacht tanzten.
Mi
08
Aug
2018
Franziska Reichenbacher bringt "Lenas Geheimnis - Von Menschen, Mäusen, Zauberwesen" mit prominenten Festspiel-Schauspieler*innen, Mitgliedern des Bad Hersfelder HAIR-Ensembles und Kindern und Jugendlichen aus Bad Hersfeld und Umgebung in die Stiftsruine. Das Stück feiert am 16. August Premiere.
Am 8. August bekam die Presse Gelegenheit, einer Probe beizuwohnen und erste Bilder zu schießen.
Fotos: Markus Weber
Mi
01
Aug
2018
Der junge William Shakespeare (Dennis Herrmann) hat Probleme, „Romeo und Ethel, die Piratentochter“ zu schreiben, Viola de Lesseps (Natalja Joselewitsch) liebt das Theater, doch dürfen in der Elisabethanischen Epoche dort nur Männer auftreten.
Die romantische Komödie Shakespeare in Love gewann sieben Oscars. In Bad Hersfeld gab es die deutschsprachige Erstaufführung der Theaterfassung - und sie unterhält hervorragend. Die Hauptdarsteller*innen harmonieren bestens. Auch die Anforderungen, dass Schauspieler*innen ihrerseits Schauspieler*innen - und zwar schlechte und gute - spielen, geht auf. Nur Jens Schäfer kommt als Theatermanager Henslowe bei weiten nicht an den Film heran, bei dem Geoffrey Rush sogar für den Oscar nominiert war.
Stimmig ausgestattet, wirken einzig die Kostüme der Aufführung ein wenig wie aus dem Fundus zusammengewürfelt.
Auch beim Publikum kam der muntere Reigen gut an, es gab Standing Ovations von so gut wie allen Plätzen.
Text & Fotos: Markus Weber
Do
26
Jul
2018
Nach dem Erfolg von 2017 begeistert auch die Aufführung des Musicals Titanic auch bei den Bad Hersfelder Festspielen 2018.
Auch diesmal sinkt die Titanic, auch diesmal ertrinken über 1.500 Menschen, auch diesmal trifft es vor allem die armen Passagiere der 1. Klasse, da der Schiffsbesitzer J. Bruce Ismay (dieses Jahr neu dabei: Ansgar Schäfer) zu wenig Rettungsboote einbauen ließ, um mehr Platz für die 1. Klasse zu haben. Auch diesmal hört Kapitän E.J. Smith (Michael Flöth) nicht auf die Warnungen von Funker Harold Bride (neu: Markus Fetter), handelt der Erste Offizier William Murdoch (Jörg Neubauer) unsouverän, überlassen Isidor und Ida Strauss (Uwe Dreves und Isidor Strauss) ihren Platz auf dem Rettungsboot jüngeren Passagieren.
Und auch diesmal gibt es ein großartiges Orchester, Darsteller*innen mit musikalischen und schauspielerischen Fähigkeiten und ein stimmiges Bühnenbild. 2017 war die Inszenierung von Titanic (Regie: Stefan Huber, musikalische Leitung: Christoph Wohlleben) überaus erfolgreich, dieses Jahr war sie in nahezu gleich bleibender Qualität zu erleben. Die neuen Darsteller*innen fügten sich nahtlos ein.
Im Gegensatz zum eher unzugänglichen Peer Gynt gab es hier auch bei der mittlerweilen zweiten Premiere direkt Standing Ovations.
Infos: https://www.bad-hersfelder-festspiele.de/spielplan/titanic.html
Text und Fotos: Markus Weber
Können Festspiele zu laut sein, zu bunt sein, zu viele Stars haben? Muss die Weite der Ruine unbedingt in die Handlungen auf der Bühne einbezogen werden? Ist ansonsten die Ehrwürdigkeit der
Stiftsruine dadurch zu beschädigen? Wer hat von einem Intendanten, Dr. Dieter Wedel, Theaterhochkultur erwartet? Ist es nicht schön, dass sich nur über den Einsatz moderner Tontechnik beschwert
werden kann und nicht darüber, dass ein nicht ganz so stimmgewaltiger Schauspieler in den hinteren Rängen nicht zu verstehen ist, wie das in den Vorjahren durchaus vorkam?
Was sicherlich zählt ist, dass die Bad Hersfelder Festspiele beim Publikum ankommen. Unterhaltung war gefragt und wird 2015 abgeliefert. Nicht die Theaterkritiker, sondern die Menschen, die viel
Geld für eine Eintrittskarte hinblättern, müssen zufrieden sein. Dass wie in der von Wedel inszenierten Komödie der Irrungen (siehe Fotos) jede Menge Gesichter – bis zur Nebenrolle – auftauchen,
die zumindest dem älteren Publikum aus dem Fernsehen bekannt sind, ist sicherlich nicht schädlich. Dass jede Menge B-, C- und sogar einige A-Promis auf dem erstmals ausgebreiteten roten Teppich
vor der Stiftsruine schreiten, mag albern erscheinen. Doch gibt es dem osthessischen Provinz-Städtchen im Fokus der nationalen Medien ein außergewöhnliches Gewicht und lässt die Einheimischen
nicht schlecht staunen. Ob die wirtschaftliche Bilanz am Ende stimmt, steht sicherlich auf einem anderen Blatt. Wer ohne Ende prominente Darsteller sehen möchte, kann nicht davon ausgehen, dass
Dr. Wedel sie den Bad Hersfeldern umsonst besorgt. Eine Antwort auf das Schmierentheater, um den geschassten Intendanten Holk Freytag im vergangen Jahr hätte jedenfalls kaum treffsicherer
ausfallen können. Für den vermeintlich beschädigten Ruf der Festspiele und sicherlich nicht zuletzt für den des demnächst wieder zur Wahl stehenden Bürgermeisters muss die aktuelle
Festspiel-Saison als Glückssträhne gewertet werden.
Fotos: Julia Büchner & Timo Schadt / Text: Timo Schadt
Cabaret, das diesjährige Musical der Hersfelder Festspiele entführt ins schillernde Berlin der 30er Jahre. Es erzählt das Schicksal von ganz verschiedenen Menschen, die immer wieder miteinander kollidieren. Im Zentrum der Handlung steht der Kit-Kat-Club, ein Ort der ständigen Katharsis. Der Aufstieg der Nazis wird thematisiert und welche Auswirkungen dies auf das Leben der einzelnen Charaktere hat. Das Ganze läuft auf einer raffiniert gebauten mehrstöckigen Drehbühne, welche perfekt ausgenutzt wird. Herrliche Kostüme, kreative Maske, abwechslungsreiche Aufstellungen und Choreografien. Dem Ganzen setzt Helen Schneider als Conférencier die Krone auf (siehe unten zusammen mit Rasmus Borkowski). Doch auch das übrige Ensemble kann sich hören und sehen lassen. Insbesondere Bettina Mönch, Helmut Baumann und Judy Winter (siehe oben) glänzen in ihren Rollen. Und Christoph Wohlleben hat ein perfektes Orchester arrangiert. Die musikalisch wie schauspiel-erisch hervorragende Darbietung kam beim Premierenpublikum am 19. Juni bestens an. Lange anhaltender stehender Applaus war dessen Antwort auf einen ausgesprochen unterhaltsamen Abend.
Text: Jamil Schadt / Fotos: Timo Schadt