Bedeckter Himmel. Es war kalt, in jenem herbstlichen Wald oberhalb von Petersberg-Marbach.
Hierher zu finden war nicht leicht.Keine Schilder und verschlungene Feld- und
Waldwege ließen wahrlich nicht vermuten, welch Anblick sich nun bieten würde. Eine Wiese voller Fahrzeuge, dahinter unwirklich platziert, ein merkwürdig erscheinender, regelrecht verwüsteter
Campingplatz, in dessen Mitte dutzende Menschen wuselten.
Es lag hohe Anspannung in der Luft. Trotz der vielen Leute war es
außergewöhnlich leise, denn ihnen ging es darum, konzentriert Bilder und Töne zu erzeugen, die mit ungewöhnlichem Equipment eingefangen werden sollten.
Nie zuvor wurde in Deutschland diese Technik eingesetzt, mit der zeitgleich Peter Jacksons „Kleiner
Hobbit“ entstand: RED Epics 3D-Kameras waren im Einsatz. Eine solche Kamera, die 48 Bilder pro Sekunde statt der sonst üblich 24 aufzeichnet, hat dabei den Wert eines kleinen
Einfamilienhauses. Phasenweise kam davon sogar eine zweite am Drehort zum Einsatz.
Die vielen Menschen im Marbacher Forst hatten ihre klar definierten
Aufgaben und schienen diese aufeinander abgestimmt zu erfüllen. An diesem Tag waren auch Gäste vor Ort: Ein paar Journalisten und Menschen von der hessischen Filmförderung. Ihnen bot sich das
beschriebene Bild. Hier entstand ein extrem aufwendig gedrehter Film, welcher zwei Jahre später unter dem Titel LOST PLACE ins Kino kommt.
Timo Schadt hatte Gelegenheit an diesem Tag und exklusiv an einem zweiten den Dreharbeiten beizuwohnen.
Neben dem sprichwörtlichen Blick hinter die Kulissen konnte er in Drehpausen mit Schauspielern, Produzent und Regisseur sprechen (siehe auch printzip 12/2011).
Nun knapp vor Kinostart sprach er noch einmal mit Hauptdarsteller François Goeske, der
Schauspielerin Josefine Preuß und dem Regisseur Thorsten Klein. Zwei Tage zuvor, eineinhalb Monate vor Kinostart, durfte Schadt über einen personifizierten Internetzugang LOST PLACE in der
printzip-Redaktion sehen. Hier seine Kritik:
Daniel (François Goeske) und Elli (Jytte-Merle Böhrnsen) haben sich im
Internet zum Geocaching verabredet. Daniel bringt Kumpel Thomas (Pit Bukowski) mit, Elli ihre Freundin Jessica (Josefine Preuß). Zu viert machen sie sich auf in den einsamen Pfälzer Wald.
Zwischen dem introvertierten Daniel und der hübschen Elli funkt es und auch der extra-coole Thomas und die zierliche Jessi - die mit dem Hobby ihrer Freunde nicht allzu viel anfangen können -
verstehen sich.
Die Schatzsuche führt die Jugendlichen auf ein abgesperrtes ehemaliges Militärareal. Sie entdecken einen scheinbar überstürzt verlassenen Campingplatz. Tatsächlich finden sie kurz darauf die
gesuchte Box und lassen sich von darin liegenden Haschkeksen verführen.
Dann überschlagen sich die Ereignisse. Jessica bricht zusammen und ist nicht mehr ansprechbar. Ein mysteriöser Mann im dunklen Schutzanzug (Anatole Taubman) taucht auf. Er warnt die
Jugendlichen vor extremen elektrischen Strahlungen, die von einem ge-waltigen Funkturm auf dem Gelände ausgehen sollen. Die vermeintliche Gefahr wird schnell zur schrecklichen
Gewissheit.
Trotz des beachtlichen technischen Aufwands ist LOST PLACE ein Low Budget-Film, bei dem die Schauspieler - wie François Goeske dem printzip verriet - nicht allzu viel verdienten. Regisseur
Thorsten Kleins Erstlingswerk, als Mystery-Thriller angelegt, kann daher sicherlich nicht mit den ganz großen Hollywood-Streifen verglichen werden. Doch von einem deutschen Film habe ich
ehrlich gesagt weit weniger erwartet, denn das Ergebnis kann sich tatsächlich sehen lassen.
Die Geschichte ist hochspannend, die Schau-spieler liefern gut ab und die Bilder sind schon ohne dritte
Dimension alleine am Full HD-Bildschirm extrem klar und beeindruckend tief. Am Drehort, nahe Marbach durfte ich mich allerdings auch mit der 3D-Brille auf der Nase in einem abgedunkelten Zelt
neben der Campingplatz-Kulisse von der besonderen Qualität der 3D-Bilder überzeugen. Nun handelt es sich auch noch um den ersten deutschen Film, der im sogenannten „Dolby Atmos“ Format zu
hören sein wird. Daher freue ich mich nun besonders auf LOST PLACE im Kino.
DREI INTERVIEWS
Im Film bist Du ein begeisterter Geo-Cacher Du hast seinerzeit in Marbach erzählt, dass Du es zur Vorbereitung wirklich ausprobiert hast. Hast Du nach dem Dreh noch mal was in dieser Richtung unternommen?
Ja, die Rolle des Daniel hat mich zum Geo-Caching gebracht. Ich gehe jetzt aber keine Caches in Abwasserkanälen bergen. Ich mache die ganz Kleinen, die eben mal auf dem Weg zu loggen sind. Das sind meistens Mikrochips, bei denen man seinen Benutzernamen eingibt. Die steckt man dann zurück.
Im Film bist Du ein wandelndes Lexikon und ein Computer-Crack. Real in einer Künstlerfamilie aufgewachsen, musikalisch und gesanglich begabt, schon früh Schauspieler, konntest du wahrscheinlich nie vor dem Computer versumpfen, oder?
Oh doch, ich habe schon meine Phase gehabt, wo ich heimlich die ganze Nacht lang Computer-Spiele gespielt habe. Das waren dann aber Strategiespiele und keine Ego-Shooter, aber die Phase habe ich hinter mir (lacht).
Du bist jetzt 23 Jahre alt. Hast Du Bammel, dass der Karriere als Kinder- und jetzt Jugendschauspieler keine Erwachsenenrollen folgen?
Ja, es ist durchaus so, dass viele die jung als Schauspieler erfolgreich waren, diesen Erfolg nicht in Erwachsenenrollen weitertragen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen. Ich sehe aber schon den Fortschritt, den Du ansprichst. Ich bin ja bei den jugendlichen Rollen angekommen und dann werden wir mal weitersehen. Ich will auf jeden Fall Schauspieler bleiben.
Was ist, wenn Du an den Dreh von LOST PLACE zurückdenkst, vor allem bei Dir hängengeblieben?
Wir hatten durch das 3D unglaublich lange Umbauzeiten. Das hat an den Nerven sehr gezerrt. Aber der Aufwand hat sich echt gelohnt. Viele, gerade deutsche Filme, versuchen es aufwändige, unterhaltsame Streifen mit Tiefgang zu produzieren, die dabei aber noch eine gewisse Leichtigkeit behalten. Das ist in Deutschland anscheinend nicht so einfach. Aber bei LOST PLACE ist es gelungen und das ist auch ein Grund für mich stolz auf diesen Film zu sein.
Du sprichst es gerade als Abgrenzung an. Inwiefern ist es denn für Dich greifbarer durch so einen Film mal einen Fuß in eine internationale Produktion zubekommen?
Ich hätte schon Lust meine Karriere international auszuweiten. Ich bin derzeit mit einem englischen und einem französischen Regisseur im Gespräch, die mit mir mal was drehen wollen.
Du hast ja ebenso ein musikalisches Talent, kannst respektabel singen.
Ich kann mir auch vorstellen, neben dem Schauspiel professionell Musik zu machen. Ich
schreibe für mich an eigenen Texten und Melodien. Momentan experimentiere ich alles ohne Instrumente zu machen, nur mit der Stimme. Dadurch entstehen sehr spezielle Stücke. Aber ich möchte
das Ganze noch ein bisschen Reifen lassen. Ich habe später vor nicht nur einen Song rauszubringen, sondern gleich ein kleines Album, was dann eine runde Sache ist, die auch für sich stehen
kann.
Vor zwei Jahren hast Du LOST PLACE gedreht. Jetzt steht die Promo an. Zwischenzeitlich gab es andere Projekte. Wie sehr steckst Du noch in diesem Film?
Jetzt natürlich wieder ganz arg. Ich wollte auch wissen worüber ich da eigentlich rede. Ich habe mir gerade die Presse-DVD angeschaut und finde es immer wieder erstaunlich, was aus so einem Drehbuch wird.
Und Du bist mit dem Ergebnis zufrieden?
Es ist der größte und schönste Beweis, gerade was solche Genre-Filme angeht, wo die Allgemeinheit immer schreit: ‚Bitte nicht aus Deutschland! Wir haben nicht die Technik, wir haben nicht das Geld, wir haben nicht die Leute.“ Wenn dann LOST PLACE zeigt, es geht doch, dann haben wir alles erreicht, was wir wollten.
Das Hobby Geocaching ist Dir zu eigen geworden?
Überhaupt nicht. Ich halte es da wie meine Rolle Jessi. Ich finde es interessant, würde mich aber nicht selbst auf eine moderne Schnitzeljagd begeben.
In „Schloss Einstein“ warst Du auf intrigant-zickig festgelegt. Auch in LOST PLACE sollst Du nicht unbedingt die Sympathie-Trägerin sein. Hast Du Sorgen, dass Du oft als Zicke besetzt wirst?
Nein. Für mich als Darstellerin ist es wichtig, so unterschiedliche Projekte und Rollen wie möglich zu spielen. „Türkisch für Anfänger“ ist da für mich ein Meilenstein, aber auch „Das Adlon“, wo ich eine 55-Jährige spielte, jetzt den Mystery-Thriller - umso verschiedener die Rollen, desto besser für mich und meinen Job.
Man wird aber auch gerne auf das festgenagelt, was einmal gelaufen ist, oder?
Wenn ich heute „Schloss Einstein“ sehe, schlage ich die Hände über den Kopf, aber für die Zeit war es das. Man darf nicht vergessen, das waren die Anfänge. Bei „Schloss Einstein“ wusste ich noch nicht, dass das mein Job wird. Es war parallel zur Schule und ein wenig vor der Kamera herum hampeln. Da war mir die Verantwortung noch nicht bewusst, dass das ausgestrahlt wird und dass das Leute sehen. Ich war 12 und hatte noch nicht wirklich Ahnung vom Business. Heute mit 27 ist das natürlich etwas anders.
Du bist ja nun eine viel beachtete und erfolgreiche Schauspielerin. Dennoch ist so ein aufwendig und in 3D gedrehter Streifens sicherlich etwas Besonderes. Wie sind daraus folgernd Deine Erwartungen für zukünftige Projekte?
Erwartungen habe ich gar nicht. Ich will den Film jetzt noch mal in 3D mit Dolby sehen. Es ist etwas Besonderes in einem Film mitgespielt zu haben, der als erste deutsche Produktion komplett in 3D gedreht wurde und diesen Sound hat. Das ist eine Ehre.
Die Technik ist spektakulär.
Ja, und auch die Erfahrung in 3D zu drehen, war für mich wichtig. Diese Produktionsweise nimmt immer weiter zu. Und ich habe da jetzt ein wenig Ahnung von. Ich habe erlebt, wie aufwendig das ist, wie zeitintensiv und weiß, dass man auch wenn man im Hintergrund steht, nicht einfach in der Nase bohren kann. In der dritten Dimension ist man immer scharf.
Zumindest beim Dreh in der Nähe von Fulda war es zuweilen eiskalt. Bleibt so etwas als alles überlagernde negative Erinnerung an den Dreh hängen?
Die Kälte schon, aber der Rest war toll.
Pit hat mir erzählt, das Schlimmste für ihn war das Bad im kalten Teich. Du musstest mit nackten Beinen im herbstlichen Marbach umherlaufen.
Das ist ein Herbst-Film, also muss er auch im Herbst spielen. Am zweiten Drehtag habe ich gedacht: Wie bescheuert, dass ich diese Hotpants zugesagt habe. Wir haben zum Ende hin in drei bis fünf Strumpfhosen gedreht. Das war schon krass. Aber gerade als Pit ins Wasser musste, habe ich gedacht: ‚Gott sei Dank, habe ich noch die Hotpants.‘
In Lost Place spielst Du einen Teenager. Mit François habe ich eben schon drüber gesprochen, wie es ist, vom Kinder- zum Jugendstar zu werden und dann unweigerlich für Erwachsenen-Rollen gecastet zu werden. Oder auch nicht. Du bist ja nun tendenziell in der Erwachsenwelt mit Deinen Rollen angekommen.
Gucken wir mal (lacht).
Tut ein Ausflug in die Jugend wie für LOST PLACE nicht richtig gut?
Wir spielen ja nun auch keine Kinder. Jessi ist fertig mit der Schule, will studieren. Das ist ja noch recht nah an meinem Alter. Ich finde, was bei einem Rollennamen für ein Alter in Klammern steht egal. 14-Jährige sind heutzutage anders drauf, wie ich es mit 14 war. Sie werden immer frühreifer und alles wird schnelllebiger. Das Alter spielt so gar keine Rolle.
Normalerweise spielst Du die Modische und Adrette. Für LOST PLACE hat Dich die Maske zum Zombie gemacht. Wie war das, Dich so im Spiegel zu sehen?
Mut zur Hässlichkeit ist wichtig. Alles wunderbar. Das gehört zur Rolle, das gehört zum Film und ich wollte so etwas immer machen.
Ist Mystery ein Genre, in dem Du Dich häufiger sehen möchtest?
Das weiß ich nicht, das wird kommen. Ich lasse mich überraschen. Ich bekomme Drehbücher auf den Tisch und bin immer ganz neugierig, in welchen Rollen mich Caster, Produzenten und Regisseure sehen wollen.
Dein erster Film ist fertig und kommt jetzt ins Kino. Was war spannender: Den Film zu machen oder jetzt darauf zu warten, wie er ankommt?
Beides ist eigentlich spannend. Das Machen war natürlich ein bisschen beruhigender, weil man mehr kontrollieren konnte. Jetzt muss man den Film in die Welt entlassen und sich zurücklehnen.
Warum lag zwischen dem Dreh und der Veröffentlichung so viel Zeit?
Wir haben die Chance bekommen, noch mit vielen Spezialeffekten an den Film zu gehen. Das alleine hat acht Monate gedauert. Soundmäßig hatten wir dann noch das Glück, dass wir mit Dolby zusammenkommen konnten. Und die haben uns ausgewählt als ihr Prestige-Projekt um Dolby-Atmos bei den Kinobesitzern bekannt zu machen.
Den Film muss man demnach unbedingt im Kino erleben?
Alles am Film ist in 3D angelegt. Wir haben ja mit zwei Kameras gedreht, sodass er auch in 2D geguckt werden kann. Er macht auch in 2D Spaß, aber den vollen Effekt und die ganze Wirkung gibt es in 3D.
Bei allen exklusiven Effekten, ein Mystery-Thriller aus Deutschland, glaubst Du, sowas geht im Kino?
Wir hatten ja zwei Test-Screenings und dabei immer gute Reaktionen. Unser Ziel war es, einen Film zu machen, bei dem die Leute später rausgehen und etwas geboten bekommen haben für ihr Geld. Und da hoffen wir schon, dass die Leute das weiterempfehlen. Aber ehrlich gesagt: Von unserer jetzigen Warte aus kann wenig beeinflusst werden. Wichtig ist bei einer deutschen Produktion, dass man gleich in der ersten Woche ins Kino geht. Bei einer amerikanischen kann man sich dagegen eher darauf verlassen, dass sie nicht gleich wieder rausfliegt.
Wie weit ist der Film bereits international gefenstert?
Wir haben den Film nach Russland verkauft und nach Japan. In Japan startet er auch im September. In Russland gibt es eine russisch synchronisierte Fassung. Da bin ich schon sehr gespannt, die mal zu hören. Das alles liegt in den Händen des Weltvertriebs und da wird man in den nächsten Monaten sehen, wohin wir noch verkaufen können.
Du bist optimistisch, dass der Film wegen seiner außerordentlichen Technik auch international ankommt?
Auf Grund der Technik, aber auch wegen der Marktscreenings. Die waren voll und die Leute sind auch nicht rausgegangen. Manchmal hat man es bei einem Marktscreening, weil die Leute sich dutzende Filme ansehen, gehen sie nach 20 Minuten raus. Bei uns sind fast alle bis zum Schluss sitzen geblieben.
François hat mir erzählt, wie besonders es war, mit Dir zu drehen, da Du nicht mit klassischen Regieanweisungen gearbeitet hast. Ich habe Dich am Set als sehr gelassenen erlebt. Warst Du dennoch manchmal verzweifelt?
Wir hatten das Glück, dass all die Dinge, die wirklich wichtig waren, funktioniert haben. Abgesehen davon, dass das Team hervorragend war und wir auf allen Positionen Glück hatten, hat sich nichts negativ ergeben. Die Schauspieler haben es immer hervorragend gemacht und auch so, wie ich mir das vorgestellt habe. Wir haben im Vorfeld die ausgesucht, von denen wir wirklich überzeugt sind. François als Hauptfigur war auch ein Glücksfall. Wir hatten zuvor andere im Visier. Es ist aber von Vorteil, wenn der Schauspieler - wie in diesem Fall geschehen - eine Beziehung herstellen kann zu seiner Figur.
Du hattest die Möglichkeit mit wahnsinnig aufwendiger Technik zu drehen, hattest wunderbare, ambitionierte Schauspieler und ein hoch engagiertes Team am Start. Wie ist es dazu gekommen?
Der Weg dahin war, das Schritt für Schritt aufzubauen. Alles hatte eine gewisse Konsequenz. Ganz klar, wir hatten aber auch einfach viel Glück. Mit dem Dolby Atmos zum Beispiel, da waren wir mit dem richtigen Film zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Das konnte man nicht absehen.