Beim Treppensteigen halte ich mich am Geländer fest. An Autofahren ist nicht mehr zu denken. Ich kann mich beim E-Mail lesen am Computerbildschirm kaum an den Zeilen halten, dasselbe gilt für
gedruckte Lektüre aller Art. Am liebsten habe ich die Augen zu. Doch selbst im Dunkeln dreht es sich weiter“, so schildert der 50-Jährige Markus H. aus Fulda* ein schon mehrere Tage anhaltendes
Symptom. Etwa zehn Prozent aller Arztbesucher kommen mit Schwindelgefühlen in deren Praxis. Mit zunehmendem Alter treten Schwindelgefühle häufiger auf: 30 Prozent der über 65-Jährigen wird
regelmäßig schwindelig.
Doch auch Jüngere können oben beschriebene Erfahrungen machen. Jede zehnte Person hat mindestens einmal welche im Laufe ihres Lebens, allerdings dann mit höherem Rückfallrisiko. Nicht selten sind
solche Schwindelerlebnisse gekoppelt an Übelkeit und Erbrechen. Betroffene leiden unter teils lang anhaltenden Schwindelattacken. Häufigste Ursachen für solche plötzlichen Drehschwindelattacken
ist der sogenannte „gutartige Lagerungsschwindel“. Er hat dabei oft eine harmlose Ursache, wie lediglich eine ungünstige Bewegung. Betroffene verlieren abrupt motorische Fähigkeiten, können oft
nicht einmal mehr geradestehen. Aufgrund der Heftigkeit solcher Symptome lösen die Schwindel Ängste aus, die wiederum die Wirkung verstärken. Doch ist diese Schwindelform völlig harmlos.
Eine Entzündung des vom Vestibulum wegführenden Nervs (Neuritis vestibularis) mit dem Auslöser Herpesviren oder Schwindel in Folge eines Hirninfarkts lässt sich vom Arzt schnell diagnostisch
ausschließen. Beim Überprüfen der Symptomatik lassen sich Ursachen für Schwindel in der Regel gut zuordnen. Der „gutartige Lagerungsschwindel“ lässt sich dabei gut erkennen und dann schnell sowie
schonend therapieren. Ärzte können oft an den Augenbewegungen die Ursache der Beschwerden ausmachen. Die Diagnose „gutartiger Lagerungsschwindel“ kann bei Kopftieflage und einer so genannten
Lagerungsprüfung verbindlich getroffen werden.
Die Ursache für den gutartigen Lagerungsschwindel liegt im Innenohr. Hier messen in einem bestimmten Teil des Gleichgewichtsorgans mikroskopisch kleine Kalziumkristalle in einer gelartigen Masse
die Schwerkraft. Wenn sich diese lösen, gelangen sie leicht in die Bogengänge. Schon durch bestimmte Kopfbewegungen wirbeln sie auf und reizen die Sinneshärchen. Die Augen melden zwar
Bewegungslosigkeit, der Gleichgewichtssinn im Innenohr hingegen registriert fälschlich eine starke Drehung. Da das Phänomen in der Regel auf eine Ohrenseite begrenzt auftritt und die andere Seite
nicht denselben Reiz ans Gehirn übermittelt, kommen dort widersprüchliche Informationen an. Das führt zu einer Überreaktion des zentralen Nervensystems, da das Gehirn die gegenteiligen
Informationen nicht verarbeiten kann. Das Gehirn versucht die Informationen zu synchronisieren, was unbehandelt mehrere Tage bis Wochen dauern kann. Zwischenzeitlich wird dieser Prozess von
heftigem Schwindel begleitet.
Tritt ein kleiner Schwindel häufiger auf oder hält der Schwindel wie oben beschrieben an, sollte in jedem Fall der Hausarzt bzw. ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt konsultiert werden. In einer der
Diagnose anschließenden Therapie aus einer Abfolge klar definierter Bewegungen, lassen sich die Steinchen nämlich wieder aus den Bogengängen herausbefördern. HNO-Ärzte nutzen dazu so genannte
„Befreiungsmanöver“ wie beispielsweise das Epley-Manöver, bei dem mehrere nacheinander ausgeführte 90 Grad-Drehungen des Kopfes um verschiedene Achsen den gewünschten Erfolg herbeiführen. Man
legt den Kopf des Patienten auf die betroffene Seite in eine bestimmte Position und dreht den Körper anschließend ruckartig um fast 180 Grad. Dadurch fließen die Kristalle an eine Stelle im
Gleichgewichtsorgan, wo sie keinen Flüssigkeitsstrom mehr verursachen können. Schon der erste Behandlungsversuch kann durch entsprechende Wiederholung bei einem Großteil der Patienten zum Erfolg
führen. Allerdings ist die Therapie sehr unangenehm und verstärkt zunächst die Übelkeit und Brechreiz. Die Erfolgsquote liegt bei entsprechendem Durchhaltevermögen bei nahezu 100 Prozent. Im
Laufe der Zeit kann es zu Rückfällen kommen. Mit Medikamenten kann diese Schwindelart nicht bekämpft werden, auch wenn bei den Lagerungsmanövern auftretende Schwindelsymptome so gedämpft werden
können.
Anders verhällst sich das bei Morbus Menière. Hierbei handelt es sich um eine Erkrankung, die besonders häufig bei Menschen zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr auftritt. Diese Form von
Drehschwindel entsteht dadurch, dass im Ohr zu viel Flüssigkeit produziert wird. Begleitsymptome wie Hörstörungen, einem Druckgefühl im Ohr sowie Ohrgeräusche sind neben dem Schwindel
festzustellen. Betroffene, die an Morbus Menière erkrankt sind, müssen medikamentös therapiert werden, um den Schwindel zu bekämpfen. Die Heilungschancen liegen dann bei etwa 90
Prozent. Text & Foto:
(ts)
*) Name der Redaktion bekannt.